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sprünglich auf eine Ansiedlung von Däradas hindeutet, dann kann er mehrfach auftreten, z.B. dort, wo
die Wege einmünden, die vom Zentrum des Därada-Staates im mittleren Kishanganga-Tal den Indus er-
reichen, etwa am Ausgang des Astor-Tals. Aber eine Notwendigkeit für eine solche Lokalisierung von
Ta-li-lo außerhalb der Sphäre sogdischer Einflüsse besteht nicht. Es ist ja auch klar geworden, daß es
Mischehen und Übertritte zwischen den religiös definierten Gruppen gegeben hat. Zwar habe ich selbst
auf Spottzeichnungen aufmerksam gemacht, die erwidert wurden, aber das könnte man mit dem Hinweis
entschuldigen, daß vom Personal der Karawanen nicht die gleiche Toleranz zu erwarten war, wie von den
Unternehmern. Es ist daher sinnvoll, zunächst einmal bei der Hypothese zu bleiben, daß Shatial als
Übergangsstelle, Emporium und Heiligtum ein Hinterland - nämlich das Tal von Darei - hatte, in dem
es einerseits eine buddhistische Tradition gab, andererseits die Integration in ein sogdisches Handelsnetz.
Die daraus ableitbaren Konsequenzen für die Interpretation der schriftlichen und künstlerischen Zeugnis-
se sollen nun aufgezeigt werden - im vollen Bewußtsein, daß die Zusammenhänge die Hypothese selbst
bestätigen oder widerlegen könnten:
1. Die Inschrift mit dem einzigen längeren, erzählenden Text berichtet von dem Besuch an einem heiligen
Platz, an dem sich der Verfasser eine rasche und gesunde Heimkehr zu seinem Bruder erbittet. Das ist
die beste Bestätigung, daß hier keine anschließenden Besuche in den Handelszentren Südasiens geplant
waren. Vom Indus kehrte man auf raschestem Weg zurück. Offenbar kampierten die buddhistischen Part-
ner südlich jener Brücke, die man gerade in diesem Abschnitt des Industals dringend brauchte, um einen
sicheren Kontakt herzustellen.
2. Die Stelle, die ich spontan als Shatial Fort bezeichnete, muß nicht, wie von meinen Kollegen vermutet,
der Platz gewesen sein, an dem sich Kultbauten, etwa Stupas, erhoben. Die Felszeichnungen an dieser
Stelle könnten erst zu einer Zeit geschaffen worden sein, als der ursprüngliche Zweck bereits durch ande-
re Bauten erfüllt wurde. Es sei erwähnt, daß ein Kopf, dessen Zeichnung hier festgestellt wurde, tatsäch-
lich ein Phantasieporträt des Heiligen Narendrayasa sein könnte, der nach seinem Tod im Alter von hun-
dert Jahren in den Himmel der legendären Hexer versetzt wurdet Dementsprechend sah er aus, seine
Scheitelpartie war geschwollen wie ein Mxmya, sie ragt empor "wie eine Bergspitze über den Wolken".
Die Augen sind im Mittelteil des Gesichts, dieses in zwei gleiche Hälften unterteilend, die Ohren saßen
hoch und waren lang, mit durchbohrten Läppchen. Jedenfalls wäre das eine Erklärung des bisher rätsel-
haften Porträts. Narendrayasa stammte aus Swat.
3. Es ist nicht nötig anzunehmen, daß spätestens beim Ende des Hephthalitenreiches die Bedeutung die-
ser Handelsroute auslief. Es ist eher wahrscheinlich, daß der Handel von den Stämmen übernommen
wurde, die bisher die Karawanen begleitet und beschützt hatten.
4. Fussman ist aufgefallen, daß sich der buddhistische Anteil an der künstlerischen Ausstattung der Stati-
on im Rahmen dessen erklären läßt, was man in die Spannweite der späten Gandhära-Kunst des Südens
einordnen kann. Von Verbindungen nach Zentralasien sei nichts zu sehen. Dies ließe sich durch die Ver-
mittlung einer auswärtigen Handelsorganisation erklären. Die Buddhisten von Darei hatten keinen Anlaß,
jene auswärtigen Verbindungen zu pflegen, die man etwa im Umkreis von Chilas feststellen kann.
5. Statt dessen bekommen wir Proben einer graphischen Tradition, von der man bisher nicht die Haupt-
werke kennt, obwohl sie sich irgendwo klarer abzeichnen muß als im bisherigen Bestand. Möglicherweise
hat die sogdische Kunst der späten Zeit, die so reich an zuvor unbekannten Motiven ist, dieses Element
aufgenommen, aber in dieser frühen Periode ist die Kombination von Tamgas, Altären und sexuellen
Symbolen ziemlich einzigartig.
18 KuwAYAMA 1989: 98-102.
sprünglich auf eine Ansiedlung von Däradas hindeutet, dann kann er mehrfach auftreten, z.B. dort, wo
die Wege einmünden, die vom Zentrum des Därada-Staates im mittleren Kishanganga-Tal den Indus er-
reichen, etwa am Ausgang des Astor-Tals. Aber eine Notwendigkeit für eine solche Lokalisierung von
Ta-li-lo außerhalb der Sphäre sogdischer Einflüsse besteht nicht. Es ist ja auch klar geworden, daß es
Mischehen und Übertritte zwischen den religiös definierten Gruppen gegeben hat. Zwar habe ich selbst
auf Spottzeichnungen aufmerksam gemacht, die erwidert wurden, aber das könnte man mit dem Hinweis
entschuldigen, daß vom Personal der Karawanen nicht die gleiche Toleranz zu erwarten war, wie von den
Unternehmern. Es ist daher sinnvoll, zunächst einmal bei der Hypothese zu bleiben, daß Shatial als
Übergangsstelle, Emporium und Heiligtum ein Hinterland - nämlich das Tal von Darei - hatte, in dem
es einerseits eine buddhistische Tradition gab, andererseits die Integration in ein sogdisches Handelsnetz.
Die daraus ableitbaren Konsequenzen für die Interpretation der schriftlichen und künstlerischen Zeugnis-
se sollen nun aufgezeigt werden - im vollen Bewußtsein, daß die Zusammenhänge die Hypothese selbst
bestätigen oder widerlegen könnten:
1. Die Inschrift mit dem einzigen längeren, erzählenden Text berichtet von dem Besuch an einem heiligen
Platz, an dem sich der Verfasser eine rasche und gesunde Heimkehr zu seinem Bruder erbittet. Das ist
die beste Bestätigung, daß hier keine anschließenden Besuche in den Handelszentren Südasiens geplant
waren. Vom Indus kehrte man auf raschestem Weg zurück. Offenbar kampierten die buddhistischen Part-
ner südlich jener Brücke, die man gerade in diesem Abschnitt des Industals dringend brauchte, um einen
sicheren Kontakt herzustellen.
2. Die Stelle, die ich spontan als Shatial Fort bezeichnete, muß nicht, wie von meinen Kollegen vermutet,
der Platz gewesen sein, an dem sich Kultbauten, etwa Stupas, erhoben. Die Felszeichnungen an dieser
Stelle könnten erst zu einer Zeit geschaffen worden sein, als der ursprüngliche Zweck bereits durch ande-
re Bauten erfüllt wurde. Es sei erwähnt, daß ein Kopf, dessen Zeichnung hier festgestellt wurde, tatsäch-
lich ein Phantasieporträt des Heiligen Narendrayasa sein könnte, der nach seinem Tod im Alter von hun-
dert Jahren in den Himmel der legendären Hexer versetzt wurdet Dementsprechend sah er aus, seine
Scheitelpartie war geschwollen wie ein Mxmya, sie ragt empor "wie eine Bergspitze über den Wolken".
Die Augen sind im Mittelteil des Gesichts, dieses in zwei gleiche Hälften unterteilend, die Ohren saßen
hoch und waren lang, mit durchbohrten Läppchen. Jedenfalls wäre das eine Erklärung des bisher rätsel-
haften Porträts. Narendrayasa stammte aus Swat.
3. Es ist nicht nötig anzunehmen, daß spätestens beim Ende des Hephthalitenreiches die Bedeutung die-
ser Handelsroute auslief. Es ist eher wahrscheinlich, daß der Handel von den Stämmen übernommen
wurde, die bisher die Karawanen begleitet und beschützt hatten.
4. Fussman ist aufgefallen, daß sich der buddhistische Anteil an der künstlerischen Ausstattung der Stati-
on im Rahmen dessen erklären läßt, was man in die Spannweite der späten Gandhära-Kunst des Südens
einordnen kann. Von Verbindungen nach Zentralasien sei nichts zu sehen. Dies ließe sich durch die Ver-
mittlung einer auswärtigen Handelsorganisation erklären. Die Buddhisten von Darei hatten keinen Anlaß,
jene auswärtigen Verbindungen zu pflegen, die man etwa im Umkreis von Chilas feststellen kann.
5. Statt dessen bekommen wir Proben einer graphischen Tradition, von der man bisher nicht die Haupt-
werke kennt, obwohl sie sich irgendwo klarer abzeichnen muß als im bisherigen Bestand. Möglicherweise
hat die sogdische Kunst der späten Zeit, die so reich an zuvor unbekannten Motiven ist, dieses Element
aufgenommen, aber in dieser frühen Periode ist die Kombination von Tamgas, Altären und sexuellen
Symbolen ziemlich einzigartig.
18 KuwAYAMA 1989: 98-102.