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macht zu umgehen trachteten. Vielleicht war der Schutz mit dem Einzug einer Maut verbunden.
Ich stellte mir vor, daß die Schutzmacht, die den weiten Ausgriff der Sogdier nach Süden möglich ge-
macht hatte, Hephthaliten waren, auf jeden Fall ein Verband, der sich aus den chionitischen (- hunni-
schen) Stämmen rekrutierte.
Harmatta meinte, der sogdische Handel über Gebirgspässe hinweg habe sich in Reaktion auf die Unter-
werfung der westlichen Teile des Kusäna-Reiches durch die Sasaniden entwickelt, das heißt, im 3. Jh. n.
Chr. Nach Erreichen einer friedlichen Koexistenz habe man diese mühsame und gefährliche Route wie-
der aufgegeben. Ob solch eine Erklärung zutrifft, läßt sich am ehesten durch die Feststellung der Zeit
entscheiden, in der die Inschriften angefertigt wurden. Leider ist das beste Vergleichsmaterial, die H/ten
ßn'e/h, nicht widerspruchsfrei eingeordnet, aber das Alphabet der Petroglyphen entspricht eher diesem
frühen Stadium als dem, was knapp vor dem Verlust der Unabhängigkeit im 7. und 8. Jh. geschrieben
wurde. Nun wird die chronologische Ordnung der entsprechenden Brähml-Graffiti nicht durch entspre-
chende Bedenken verunsichert - obgleich man sich fragt, wie man eine beträchtliche Retardation bei
frommen Einsiedlern am Rand der Wildnis ausschließen kann. Da keine Kharosthi-Inschriften zum regu-
lären Bestand gehören (es gibt aber Ausnahmen), wurde für die Zeit des Schriftgebrauchs bei Shatial ei-
ne Datierung zwischen 300 und 600 n. Chr. vorgeschlagen. Das schließt jedenfalls die Zeit ein, in der Fa-
xian seinen Bericht verfaßt hat, und wir müssen uns fragen, wieso ein Heiligtum des Buddhismus gleich-
zeitig der Stützpunkt einer fremden Händlerschaft gewesen sein soll, die einer anderen Religion ange-
hörte? Dieser Zustand erschien auch schon den frühen Bewohnern Dareis problematisch und wurde
durch einen lokalen Synkretismus' gelöst. Fussman ist aufgefallen, daß im Zentrum der Station Shatial
ein Felsen mit einer Komposition liegt, die komplizierter ist, als man bei Petroglyphen erwartet. Fuss-
man^ spricht von einem "Gemälde", das man mit einem Triptychon vergleichen könne: Im Zentrum
ist ein Stüpa dargestellt, der keine reguläre Basis hat. Vielmehr hängt von einer Standfläche noch eine
der vielen Glocken herab. Es wird nicht klar, ob es sich um eine Holzkonstruktion handeln soll. Links
vom Stüpa ist die berühmte Szene aus dem Sibi-Jätaka dargestellt. Dabei erscheint der Retter der Taube
als Buddha und nicht, wie in den Texten, als Bodhisattva.
Rechts ist ein kleiner Bau zu erkennen, mit einem hohen Pyramidendach, über dem sich Mast und Eh-
renschirme erheben, samt breiten Fahnenbändern. Fussman hat freimütig erklärt, daß ihm diese Zeich-
nung rätselhaft bleibt. Offenbar ist hier eine Kammer dargestellt, die in einem Kult eine Rolle spielte,
der in der Vorstellung der Einheimischen mit dem Buddhismus vereinbar war. Die Gemeinsamkeit zwi-
schen Sogdiern und Buddhismus zeigt sich in einem Totenkult, der allerdings lokaler Herkunft war.
In Darstellungen Buddhas, die ihn an einem Grab zeigen, weil er ein verhungerndes Kind durch Wieder-
belebung der toten Mutter rettet, sieht man öfter einen zylindrischen Bau, entweder mit einer Kuppel aus
Lehmziegeln - oder aber von einem Pyramidendach bekrönt. Eine Türöffnung ist sichtbar, sie ist notwen-
dig, um den Kontakt zur Leiche der Mutter herzustellen. G. De Marco hat sich mit solchen Monumenten
am Rande des Buddhismus auseinandergesetzt. Er legt eine Typologie vor, in der auch Bilder aus Chilas
II Platz finden könnten.
Das alles würde bedeuten, daß man sich in einer begrenzten, relativ frühen Zeit - nach Fussman zwi-
schen 300 und 352 n. Chr. - bemüht hat, zwischen der Religion der Händler und dem religiösen Zentrum
im Darel-Tai (das die Bestattung in kleinen Kammern kannte) ein tragbares Verhältnis herzustellen.
Ich muß hier gestehen, daß ich das Vorkommen sogdischer Inschriften zunächst als Beleg betrachtet hat-
te, daß Ta-li-lo trotz aller Namensähnlichkeit nicht mit Darei identisch sein kann. Wenn der Name ur-

17 FussMAN 1994.
 
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