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Fussman, Gérard ; Hinüber, Oskar von ; Höllmann, Thomas O. ; Jettmar, Karl ; Bandini, Ditte ; Bemmann, Martin [Bearb.]
Die Felsbildstation Shatial — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 2: Mainz, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.36948#0109
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Raum, in dem Petroglyphen auf dem linken Ufer des Indus Vorkommen, stromaufwärts ausgeweitet -
über etwa zwei Kilometer nach Osten. In dieser Zone waren auch Bauten errichtet worden - hier bleibt
aber die Zahl der sogdischen Anwesenheitsbekundungen minimal. Ein Teil der Zeichnungen in dem
Bereich, in dem sogdische Inschriften in der Überzahl sind, unterscheidet sich deutlich von jenen, die in
anderen Stationen des Indus Vorkommen. Ich glaube, Übereinstimmungen mit sogdischen Wandbildern
zu erkennen, wie sie in den Stadthäusern des sogdischen Adels Vorkommen - außerhalb der
buddhistischen Ikonographie. Auch zu den kleinen Terracotta-Figürchen aus Khotan glaubte ich
Beziehungen zu entdecken. Es ist überdies klar, daß die Schrift, die neben der Brähmi in mehr als 500
Graffiti auftritt, den Sogdiern zuzuordnen ist, dem damals führenden Handelsvolk Zentralasiens. Das hat
die Richtung der Deutungen bestimmt.^ Inzwischen ist praktisch der gesamte Bestand publiziert. N.
Sims-Williams erkannte eine ungewöhnliche Erweiterung unserer Einsichten in den Bestand an
sogdischen Eigennamen. Ihr oft ausgeprägt herrischer Charakter steht im Gegensatz zu vielen sexuellen
Anspielungen und Spottzeichnungen. Diese sind durchaus gekonnt, manchmal geradezu pornographisch,
ein Phallos erscheint als Affe(?), der schwer an der Last seiner Hoden zu tragen hat.^
Meine eigene Interpretation habe ich als Beitrag zu einer Konferenz in Paris vorgelegt. Im Tagungsband
wurde er als Aufsatz publiziert.^ Darin entwickelte ich die These: Eine Linie in dem System der trans-
asiatischen Handelsverbindungen, das von den Sogdiern unterhalten wurde, habe deren Kerngebiete am
Serafschan und am Kaska-Darja mit dem Industal verbunden. Allerdings habe jene Macht, die die weite-
ren Verbindungswege zum südlichen Gebirgsrand kontrollierte, ein freies Ausschwärmen der Händler
nach Süden verhindert. So wurde am Indus eine Umschlagstelle geschaffen, an der man eine Weiterreise
der Sogdier verbot. Nach der Überquerung des Indus hatten sie ihre Waren zu stapeln und mit privile-
gierten, von Süden eintreffenden Partnern zu tauschen.
Solche Schranken waren durchaus üblich. Birüni berichtet, daß die Kaschmiri keine Fremden in ihr Land
ließen. Früher hatten sie noch einzelnen Personen, besonders Juden, den Zutritt gestattet, zu dieser Zeit
aber nur mehr Hindus, die ihnen persönlich bekannt waren.^ Von der Stadt Rajawari schreibt Birüni,
sie sei der äußerste Punkt, bis zu dem "unsere", d.h. islamische Kaufleute, Handel treiben könnten.
Religiöse Gegensätze könnten auch am Indus eine Rolle gespielt haben, denn die von Süden kommenden
Partner waren Buddhisten. Die Sogdier selbst hatten sich - im Gegensatz zu ihrer Bereitschaft zur Über-
nahme fremder Religionen in der Diaspora - in ihrer Heimat für eine getreuliche Bewahrung ihres irani-
schen Nationalkults entschieden.
Es wäre sicher ungenau, sie Zoroastrier zu nennen, in der Spätzeit waren sie bereit, Hindu-Gottheiten
in ihren Glauben zu integrieren. In meiner Interpretation habe ich berücksichtigt, daß sogdische Namen,
wenn auch nicht in gleicher Dichte wie in Shatial, noch in anderen Stationen am Indus Vorkommen. Al-
lerdings liegen sie nicht dort, wo wir eine Siedlung der Einheimischen in unmittelbarer Nähe annehmen
müssen. Oshibat (mit 25 Inschriften) liegt auf einem flachen Hang zwischen Sand und Geröll an einer
Stelle, an der man den Strom leicht überqueren konnte, aber auch zum Trinken ans Wasser kam. Thor
Nord liegt in vegetationslosem Gelände der Thor-Mündung gegenüber, und Dadam Das gegenüber den
Ausläufern der Siedlung von Chilas. Ich habe daran die Vermutung geknüpft, daß viele Kaufleute die all-
zu penible Überwachung durch die buddhistischen Landesherren, aber auch durch die eigene Schutz-

13 JETTMAR 1991: 252.
14 SIMS-WILLIAMS 1989-92.
15 JETTMAR 1991.
16 SACHAU 1888: 277.
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