Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

1. Anthropomorphes Wesen (Tafeln 1-26)
Die knapp 400 Gravuren,65 die anthropomorphe Wesen wiedergeben, verteilen sich gleichmäßig über
die gesamte Station. Sie gliedern sich wie folgt: 135 von ihnen stellen Menschen unbestimmten Ge-
schlechts dar. Es ist allerdings zu vermuten, daß zumindest überwiegend Männer gemeint sind, da Frauen
im allgemeinen durch Andeutung der Brüste gekennzeichnet sind.66 Hinzu kommen 80 durch Wiederga-
be des Geschlechtsteils eindeutig als Männer ausgewiesene Figuren, sowie 75 Krieger und 47 Jäger. Bei
sieben Darstellungen könnten Frauen gemeint sein.
Fünfunddreißig anthropomorphe Wesen tragen eine besondere Kopfbedeckung, Haarschmuck oder Fri-
sur, die an Hörner erinnert. Es ist nicht sicher zu entscheiden, ob sie übernatürliche Wesen, vielleicht Dä-
monen oder Jagdgottheiten, oder einfach nur Menschen wiedergeben sollen. Sie wurden daher als “Ge-
hörnte(?) anthropomorphe Wesen” bezeichnet. Zehn Gravuren dürften übernatürliche Wesen darstellen,
und eine Ritzung ist dem Anschein nach als Riese zu deuten.
Zu dieser Kategorie gehören schließlich auch die Darstellungen von Körperteilen: drei Hand- und zwei
Fußabdrücke sowie zwei Phalloi.
Allgemein ist auffallend, daß es sich bei den Petroglyphen dieser Gruppe überwiegend um vergleichswei-
se schlichte Ritzungen, oft sogar um einfache Strichzeichnungen handelt. Dennoch sind bemerkenswert
viele Variationen festzustellen, die bestimmte Details, wie etwa unterschiedliche Haartrachten oder Kopf-
bedeckungen, Waffen, Fahnen und bei den berittenen Pferden Schabracken oder Rüstungen und Sättel
wiedergeben. Auch wird deutlich, daß die Gravuren aus unterschiedlichen Zeiten stammen und auf eine
unterschiedliche kulturelle Beeinflussung und/oder Herkunft hinweisen.
1.1 Frau
Allgemein wird angenommen,67 daß Frauen in Strichzeichnungen oft dadurch von Männern unterschie-
den wurden, daß zu beiden Seiten des Rumpfes zur Andeutung der Brüste je ein Punkt gesetzt ist. Dies
trifft in Hodar auf sieben Ritzungen zu. Sie sind über die ganze Station verteilt, drei von ihnen (110:26-
28) sind dicht beieinander eingepickt. Bei drei Zeichnungen (24:54; 35:96; 110:29) sind außer diesen bei-
den Punkten noch weitere zu sehen. In einem Fall (110:29) ist wohl auch das männliche Geschlechtsteil
gezeichnet, weshalb nicht sicher ist, ob bei diesen Gravuren wirklich Brüste angedeutet sein sollen. Aber
auch bei fünf der zu dieser Kategorie Trau’ gerechneten Gravuren ist nicht völlig sicher, ob tatsächlich
Frauen dargestellt sind, da zwei von ihnen (24:26; 47:21) möglicherweise bewaffnet, die anderen drei
(110:26-28) aber in eine aus drei Äxten und drei Scheiben sowie zwei weiteren Menschen bestehende
Gruppe eingebunden sind (- Abschnitt 25). Sollten die Äxte die Waffen der abgebildeten Personen dar-
stellen und die Scheiben vielleicht deren Schilde (-* Abschnitt 16), wäre eine Deutung der Personen als
Männer naheliegender. Trifft diese Interpretation zu, müßte die Definition einer als Strichzeichnung ab-
gebildeten Frau in Frage gestellt und eine Erklärung dafür gefunden werden, was die beiden Punkte links
und rechts des Rumpfes dann bedeuten sollen. Es ist allerdings die Möglichkeit in Betracht zu ziehen,
daß in allen oder wenigstens manchen zweifelhaften Fällen bewaffnete Frauen dargestellt sind, da es bei-
spielsweise in Zentralasien zu verschiedenen Zeiten durchaus weibliche Krieger gegeben hat.68

65 Es ist zu beachten, daß in diese und alle weiteren Zählungen auch die Gravuren eingerechnet sind, deren Deutung und
damit Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie nicht völlig sicher ist.
66 Siehe Abschnitt 1.1; abweichend Jettmar 1984: 198.
67 Vgl. z.B. EVERS 1988: 152, Unterschrift zu Abb. 182.
68 Hierzu vgl. JETTMAR 1965: 54, 69, 129; BRENTJES 1996: 77; Tucci 1977: 51 und Davis-Kimball 1997: 336f.; nicht zuletzt
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften