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Lediglich die Gravur 65:30 ist in der Nähe einer Brahml-Inschrift (65:26) eingepickt. Sie könnte der glei-
chen Patina nach zu schließen etwa aus derselben Zeit stammen.
1.2 Gehömtes(?) anthropomorphes Wesen69
Zu den bemerkenswerten Zeichnungen in Hodar gehören 35 Gravuren von anthropomorphen Wesen, von
deren Kopf nach oben ein, zwei oder mehrere Striche abgehen. Die Ritzungen sind zwar über die ganze
Station verstreut, gleichwohl gibt es zwei auffällige Konzentrationen auf den Steinen 26 und 116 mit sechs
bzw. elf Gravuren. Im südöstlichen Teil der Station fehlen sie ganz, und im südwestlichen Abschnitt gibt
es nur einige wenige von ihnen. Fast allen Darstellungen ist gemeinsam, daß sie schlicht, viele von ihnen
als einfache Strichzeichnung ausgeführt sind. Auch sind sämtliche Wesen nicht beritten. Davon abgesehen
lassen sich jedoch eine Reihe von Unterschieden feststellen, die darauf hindeuten, daß nicht alle Gravu-
ren das gleiche bzw. die gleichen Wesen darstellen und/oder daß dieselbe Art von Kopfschmuck gemeint
ist. Die bei aller Schlichtheit auffällige Variationsbreite läßt außerdem darauf schließen, daß die Ritzun-
gen nicht zu ein und derselben Zeit und/oder nicht von demselben Personenkreis angefertigt wurden.
Was den Kopfschmuck angeht, so besteht er bei 15 Figuren aus zwei, bei 13 aus drei schräg oder senk-
recht nach oben abgehenden Strichen, und bei drei Wesen aus nur einem, in allen drei Fällen gebogenen
Strich. Bei zwei Darstellungen schließlich (35:73; 116:5) sind es mehr als drei Striche, und bei einer
(116:19) spalten sich die beiden Striche weiter oben in mehrere kleinere auf.
Es erhebt sich die Frage, wie diese Striche zu deuten sein könnten. Bei zwei Beispielen (90:13, 14) läßt
sich einwandfrei erkennen, daß hier ein langes gebogenes Caprinushorn, also vermutlich ein Steinbock-
horn gemeint ist, das ganz offensichtlich mit dem Schädel des Tieres verbunden ist. Wenn die abgebilde-
ten Wesen Jäger wiedergeben sollen - was angesichts der Tatsache, daß ein Hund sie begleitet, wahr-
scheinlich sein dürfte - stellen Horn und Schädel wohl eine Jagdmaske dar. Allerdings ist hier, wie auch
in anderen Fällen, mit H.-J. Paproth70 auch die Möglichkeit einer Deutung als Gottheiten, als 'Herren
der Tiere’, nicht auszuschließen. Die beiden gebogenen Linien auf dem Kopf von 12:27 könnten in glei-
cher Weise als Steinbock(?)hörner zu deuten sein, und die Wellenlinie, die vom Kopf der Figur 97:22 ab-
geht, könnte ein Horn des Markhor wiedergeben.
Während sich bei diesen genannten Gravuren die Interpretation des Kopfschmuckes als Gehörn aus der
Zeichnung selbst ergibt, sind bei den anderen Ritzungen theoretisch auch andere Deutungsmöglichkeiten
vorstellbar. Eine davon ist, daß die Striche in ein Band oder an einen Hut oder eine Mütze gesteckte Fe-
dern darstellen sollen, wie sie z.B. bei Schamanen oft zu beobachten sind.71 Nicht völlig auszuschließen
ist weiterhin, daß eine besondere Frisur gemeint ist. Auch beschreibt bereits im 6. Jh. Song Yun Frauen
mit Hörnern auf dem Kopf, die er im Land Ye-tha sah,72 und auch Xuanzang erwähnt eine solche Kopf-
bedeckung bei Frauen im Land Himatala.73 Schließlich sah auch Biddulph einen solchen Kopfschmuck
in Chitral.74 Die letztgenannte Möglichkeit dürfte wenigstens auf diejenigen gehörnten(?) anthropomor-

sei auch auf das über längere Zeit hinweg in mehreren Texten erwähnte “Königreich der Frauen” (stnräjya) (zu Quellen-
angaben LIND EGGER 1982: 46, Anm. 1) hingewiesen.
69 H.-J. Paproth sei für die Durchsicht dieses Abschnittes herzlich gedankt.
70 Mündliche Mitteilung.
71 Vgl. z.B. Vajnstejn 1984: 363; auch Karomatov/Meskeris/Vyzgo 1987: 47; Basilow 1995: lOOff.; Czaplicka 1969:
219. Auf einem Gemälde aus Dunhuang ist aber auch ein Hut mit drei Federn zu sehen (KARMAY 1977: 69, Abb. 4).
72 BEAL 1885: Bd. 1, xcif.; BIDDULPH (1880: 129) erklärt hierzu, dieses Ye-tha “must have been the people of Sirikol or Hun-
za”.
73 BEAL 1885: Bd. 2, 290 und Watters 1904-05: Bd. 2, 274ff.
74 BIDDULPH 1880: 133; auch Jettmar 1975: 131; zu diesem Kopfschmuck vgl. vor allem JONES 1983 (auch zu weiteren Hin-
 
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