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EXKURS: DRACHENDARSTELLUNGEN IM ALTEN CHINA

THOMAS O. HÖLLMANN

Der Drache ist in China ein gleichermaßen vieldeutiges wie vielgestaltiges Motiv, in dem “die verschie-
densten mythologischen und kosmologischen Vorstellungen”1 Zusammenkommen. So kann es kaum über-
raschen, wenn das 121 n. Chr. entstandene analytische Lexikon Shuowen (Kap. 11) über sein Aussehen
vermerkt: “Der Drache [long\ ist das Oberhaupt aller geschuppten Wesen. Er kann dunkle wie helle, klei-
ne wie große, kurze wie lange Gestalt annehmen.”2


Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5
Entsprechend facettenreich sind denn auch die Darstellungen, die sich des Drachens seit der Shang-Zeit
(16. bis 11. Jahrhundert v. Chr.) annehmen.3 Freilich lassen sich einige Charakteristika herausarbeiten,
die noch lange Zeit4 die Ikonographie dominieren sollten, ganz gleich, ob die Motive in Bronze gegos-
sen, mit Lack aufgemalt, in Stein geschnitzt, in Ton geformt oder in Textilien eingewebt wurden (Abb.
1-3, 7-10).5

1 EBERHARD 1987: 60. Auf die Drachensymbolik (bereits in vorchristlicher Zeit u.a. als Regenspender, Schatzhüter, Rich-
tungstier und Manifestation kaiserlicher Macht) soll in diesem Beitrag indes nicht eingegangen werden. Hierzu vgl. vor al-
lem Dieny 1987; Dragan 1993; Erkes 1930-32; Gould 1886; Hayes 1923; He Xin 1990; IZUSHI1928; ONG Hean-Tatt
1997: 56-87; VlSSER 1913; WEN Yiduo 1948: Bd. 1; WILLIAMS 1931: 132-141; ZHAO QlGUANG 1993. Zur Ableitung des
chinesischen Drachenmotivs (von Schlange, Krokodil, Saurier etc.) vgl. die Zusammenfassung in DRAGAN 1993: 5-15, 33-
44.
2 In dieser Beschreibung wird der häufigste chinesische Begriff für den Drachen (long) verwendet; daneben gibt es eine Rei-
he weiterer Bezeichnungen, die auf spezifische Eigenschaften und Lebensräume, aber auch auf die Stellung innerhalb einer
“Drachenhierarchie” abheben können; weiterführende Literatur hierzu wie in Anm. 1.
3 Es ist wohl kein Zufall, daß Wagner 1992 den Drachen nicht unter ihre Motive der bemalten neolithischen Keramik auf-
nimmt.
4 Zumindest während der darauffolgenden Dynastien Zhou (bis 221 v. Chr.), Qin (221 bis 206 v. Chr.) und Han (206 v. Chr.
bis 220 n. Chr.), doch haben sich einige Elemente bis in die Gegenwart gehalten.
5 Vgl. jeweils beispielhaft BRINKER/GOEPPER 1980: 49 (Bronzegefäße der Shang-Zeit); PRÜCH 1997: 220-245 (Lackmalerei
der Han-Zeit); GOEPPER 1995: 334-337 (steinernes Spielbrett des 3. Jh. v. Chr.); HUBEI SHENG JlNGZHOU DlQU Bo-
 
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