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Partiell sind noch die Auswirkungen der letzten Vereisungen zu erkennen. Der gesamte Talmündungsbe-
reich war einst vom Eis bedeckt, überschliffen und zugerundet. Zur Zeit einer jüngeren, weniger ausge-
dehnten Vereisung hat ein Seitentalgletscher des Hodartales zunächst die Talflanken durch Schliff über-
steilt, so daß diese nach dem Rückzug des Eises destabilisiert wurden, wodurch es zu gravitativen Aus-
gleichsbewegungen im Hang kam. Es ist deutlich zu erkennen, daß sich während einer eisfreien Zeit ein-
zelne Felsschollen an Schwächezonen losgelöst haben und in langsamen, kriechenden Bewegungen vom
anstehenden Gestein abgerutscht oder gekippt sind. Dieses durchaus nicht seltene Phänomen kann in sei-
ner Bewegungsphase vom Menschen kaum wahrgenommen werden, da die Felsablösungen in vielen Fäl-
len sehr langsam vor sich gehen. Ob eine Felsscholle heute noch aktiv in Bewegung ist oder ob sie ruht,
ist deshalb schwer zu sagen. Im Falle einer besonderen Destabilisierung27 kann es jedoch auch zum
Übergang von einer langsamen in eine schnelle Massenbewegung oder gar zu einem Felssturz kommen.
Erfolgt die Felsablösung als Kippung nach vorne, so entsteht zwischen dem abgedrifteten Material und
dem anstehenden Gestein häufig eine grabenartige Vertiefung. Die Ruine der Höhensiedlung Kino Kot
liegt auf einer solchen Felsscholle, die den äußeren Felsspornbereich der östlichen Hodartalmündung bil-
det und eine Höhe von ca. 40 Metern aufweist. Eine markante Tiefenlinie,28 die z.T. als Pfad benutzt
wird, zieht sich annähernd hangparallel von Südost nach Nordwest hinter der abgekippten Felsscholle
durch das Gestein. Sie bietet einen Hinweis auf die bereits erfolgte Massenbewegung.
Südöstlich von Kino Kot findet sich entlang des Hangfußes ein 600 m langes und maximal 100 m breites
Feuchtgebiet mit dem Namen “Sar”, was soviel wie “See” bedeutet und darauf hinweist, daß hier einmal
ein See war. Bei ausreichender Wasserzufuhr kann sich auch heute noch zeitweise ein See bilden. Am
östlichen Ende des mit üppigem Grün bewachsenen Naßraumes tritt ein Bach aus, führt über einen klei-
nen Wasserfall und mündet unweit seiner Quelle im Indus. Ein oberirdischer Zufluß zum Feuchtgebiet
konnte während der Feldarbeiten29 nicht beobachtet werden, so daß die Frage entsteht, woher dieser
lokale Wasserreichtum in der mit Sedimenten aufgefüllten, langgezogenen Felswanne kommt. Ein Quell-
austritt über stauenden Seesedimenten unter der sedimentären Füllung wäre durchaus denkbar.
Die Einzugsgebiete des Hodar Gah und des Indus erreichen vergletscherte Regionen, die das Flußregime
dieser beiden Flüsse bestimmen. Insbesondere zur Zeit der Schneeschmelze kommt es zu einer erhöhten
Wasserzufuhr. Der Indus zeigt derzeit jährliche Wasserspiegelschwankungen von bis zu sieben Metern.
So könnte es bei Überschwemmungen des Hodar Gah oder des Indus zu einem oberflächlichen Zufluß
in die Felswanne kommen. Reicht die Kapazität des Abflusses nicht aus, so kann sich für eine begrenzte
Zeit ein See bilden. Die Morphologie des umgebenden Geländes würde bei vermehrter Wasserführung
zunächst dem Hodar Gah einen leichten Zufluß zum Feuchtgebiet ermöglichen.
Südlich des Naßraumes liegt die Felsbildstation auf einem sich aus dem Talgrund erhebenden Felsrücken
mit dem Namen “Halalosh”. Der langgezogene Felskomplex, Teil einer ehemaligen Felsterrasse des In-
dus, zieht sich von West nach Ost über eine Distanz von maximal 1 km. Die maximale Breite beträgt 400
m. Der Ostrand des Felsens bildet auf einer Länge von etwa 300 m das orographisch rechte Indusufer.
Der gegenüberliegende westliche Rand grenzt an Felder, während am Südrand der Hodar Gah entlang-
fließt. Der Felskomplex selbst wurde vom Eis überschliffen und ist heute infolge von Erosion und Verwit-

27 Hier käme z.B. ein Erdbeben oder verstärkte Erosion am Hangfuß durch Flußunterschneidung in Frage.
28 Diese wird in der geomorphologischen Karte von Hodar (unten S. 115) als “Zerrgraben” bezeichnet.
29 August/September, d.h. zu einer Jahreszeit, in der die Flüsse wenig Wasser führen.
 
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