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turers”,89 könnte auch die Erklärung für die nicht einheitlichen Reiter- und Kriegerdarstellungen in
Hodar und anderen Felsbildkomplexen des Oberen Indus sein.90
Jettmar, der die Sonnenverehrer-Hypothese neuerdings selbst abgelehnt hat, hält es statt dessen nun auch
für möglich,91 daß die Axt-Sonnenscheiben-Strömung auf hephthalitischen Einfluß zurückzuführen sei.
Die Hephthaliten hätten als starke Schutzmacht der Sogdier fungiert, was sich auch in den Felsbildern
am Oberen Indus niederschlug. “When the empire collapsed, the royal tribe returned to the ancient
homeland where they united with compatriots who had remained there. That may explain how they could
conquer and control the numerous countries in the high mountains, as far as Chitral. More than 30 smal-
ler States are mentioned in the Chinese reports.”92 Jettmar stützt sich hierbei auf den Reisebericht Song
Yuns,93 der in den Beginn des 6. Jh. n. Chr. datiert. Sollte aber zu diesem Zeitpunkt auch die Region
des Oberen Indus in den Herrschaftsbereich der Hephthaliten geraten sein, was mit dieser Aussage impli-
ziert wird, wäre nicht erklärt, warum sich nachweisliche Zeugnisse der Hephthaliten auf die Felsbildkom-
plexe beschränken, die auch von den Sogdiern besucht wurden. Auch bliebe offen, warum die Sogdier,
die doch, wie Jettmar annimmt,94 unter ihrem Schutz standen, in diesem Fall - wie zu beobachten ist
- die bewohnten Orte hätten meiden müssen, um Zollzahlungen zu umgehen. Wenn außerdem die Schei-
bendarstellungen, wie Jettmar ausführt, damit zu erklären sein sollen, daß die Sonnenverehrung aufgrund
des hephthalitischen Einflusses95 ein dominanter Faktor in den einheimischen Religionen des Oberen
Indus wurde,96 drängt sich die Frage auf, warum in Shatial, der einzigen Station, die eine verhältnismä-
ßig große Anzahl hephthalitischer Zeugnisse aufweist, nur einige wenige schlichte Scheiben und keine der
typischen Sonnenscheiben,97 kein Reiter und keine Axt zu registrieren ist. Auch bleibt ungeklärt, warum
in Hodar oder anderen Felsbildkomplexen, die viele Sonnenscheiben enthalten, keine (oder jedenfalls nur
verschwindend wenige) der für Shatial typischen hephthalitischen Gravuren, also Tamgas, Köpfe und In-
schriften mit dem Bestandteil “Hunne” existieren.
Interessant ist im Hinblick auf den Sonnencharakter der Schildmuster eine Bemerkung des gegen Ende
des 10. Jh. verfaßten Hudüd al-‘Älam. Hier heißt es, der König von Bolor erkläre, er sei der Sohn der
Sonne. “And he does not rise from his sleep until the Sun has risen, saying that a son must not rise befo-
re his father. He is called Bulürln-Shäh.”98 Wie bereits Jettmar feststellte, könnte hier durchaus ein Zu-
sammenhang mit den Axt-Sonnenschild-Darstellungen bestehen.99
Nicht unmöglich erscheint auch, daß die bei Al-Blrünl, also etwa ein halbes Jahrhundert später, erwähn-
ten Bhattävaryän mit den Axt-Sonnenschild-Ritzungen in Verbindung zu bringen wären. Falls es sich bei
diesen Bhattävaryän, wie Stein annimmt, tatsächlich nicht, wie Al-Birün! meint, um ein Turkvolk handel-
te, sondern um Tibeter,100 bleibt die Frage offen, wieso sich im ganzen Oberen Industal westlich von
89 Jettmar 1993: 105.
90 Vgl. Postel/Neven/Mankodi 1985: 84f.
91 Jettmar 1997: 63ff.; und ders. 1996: 89.
92 Ders. 1997: 66.
93 Ders. 1993: 80.
94 Ders. 1997: 66.
95 Er verweist dabei auf die Sonnensymbole auf hephthalitischen Münzen (JETTMAR 1997: Fig. 5).
96 Jettmar 1997: 66.
97 Zu den wenigen schlichten Scheiben vgl. Fussman/KÖNIG 1997: Tafeln 20-21.
98 Minorsky 1980: 121.
99 Jettmar 1997: 59.
100 Bhatta entspräche laut dieser Theorie Bhutta oder Bhautta “which is applied in the Sanskrit Chronicles to the population
of Tibetan descent generally, from Ladakh to Baltistan” (STEIN 1900: Bd. 2, 363, Anm. 64; vgl. in diesem Sinne auch JETT-
MAR 1984: 211 und Wink 1990-97: Bd. 2, 72ff.). Wenn es sich um Tibeter handelt, ist mit STEIN (1900: Bd. 2, 363, Anm.
64) eine Vokalisierung Bhutta vorzunehmen.
 
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