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machten, zurückzuführen sein dürften, scheinen die Gravuren in Hodar doch überwiegend von Ortsansäs-
sigen zu stammen. Während diese sich in der Frühzeit als Jäger darstellten, die ihr Jagdglück offenbar
mit magischen Mitteln,111 vielleicht der Hilfe von Schamanen und Jagdmasken zu beschwören suchten,
wurden sie sehr viel später mit dem Buddhismus, allerdings anscheinend auf eine recht oberflächliche
Weise vertraut, und wiederum später präsentierten sie sich als mit Axt und Sonnenschild bewaffnete Krie-
ger. Die zahlreichen fremden Elemente, die, wie an den Felsbildern ersichtlich, zu verschiedenen Zeiten
- teilweise vielleicht als Resultat einer Überlagerung durch aufeinanderfolgende Wellen von Eroberern
- von den Bewohnern der Talschaft aufgegriffen und z.T. integriert wurden, zeigen, daß auf Hodar zu-
trifft, was Jettmar allgemein formulierte: “So all communities living in the side valleys of the Indus toge-
ther formed possibly a polyglot but certainly a polygraphic (or polyiconic) society.”112
Das Vorhandensein eines Sees könnte einer der Gründe für die Existenz dieses Felsbildkomplexes und
die weite Streuung der Felsbilder sein; es könnte vielleicht erklären, warum sich in der Nähe des Kino
Kot, das, wie Hauptmann zeigt, in wenigstens drei Zeitabschnitten bewohnt war, kaum Gravuren finden
und warum es in Hodar überdurchschnittlich viele gehörnte anthropomorphe Wesen gibt. Da ohne ent-
sprechende Ausgrabungen nicht sicher zu sagen ist, seit wann Kino Kot als Siedlung existierte, bleibt un-
klar, ob nicht vielleicht doch nur (oder auch) die Existenz dieses Ortes für die Entstehung des Felsbild-
komplexes verantwortlich gewesen sein könnte. Auf die vergleichsweise späten Ritzungen, also v.a. die
Scheiben, Äxte und berittenen Krieger, könnte diese Vermutung jedenfalls zutreffen. Schließlich ist auch
die von Jettmar geäußerte Vermutung zu erwägen, daß es sich bei an Talausgängen gelegenen Felsbild-
komplexen um sogenannte “Talheiligtümer” handeln könnte, wo sich die Talbewohner anläßlich von
Festlichkeiten, besonders im Winter versammelten.113 Bei allen Deutungsversuchen gilt es jedoch
immer zu bedenken, daß bei der ursprünglichen Wahl eines ‘Felsbildplatzes’ auch viele andere heute
nicht mehr nachvollziehbare Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben könnten.114 Auch kann nicht
ausgeschlossen werden, daß es hier ehemals doch ein Heiligtum gab, das aber, beispielsweise weil es aus
vergänglichen Materialien bestand, nicht mehr erhalten ist.
Wenn daher die Felsbilder von Hodar vorerst auch nur als eines der zahlreichen Mosaikteilchen gewertet
werden können, die nötig sind, um die Geschichte der Region des Oberen Indus weitgehend zu rekon-
struieren, so sind sie doch als ein wesentlicher Baustein für die Kulturgeschichte der Region zu betrachten,
so daß diese Denkmäler sicher nicht nur als grob und provinziell115 abzutun sind. Unter einer ganzen
Anzahl von Gravuren, die vielleicht dieses Prädikat verdienen, finden sich etliche, die ausdrucksvoll und
in künstlerischer Hinsicht keineswegs anspruchslos Zeugnis ablegen von fremden Einflüssen, die in der
Region des Oberen Indus wirksam wurden. Das vielfältige Quellenmaterial von Hodar spiegelt in Facet-
ten den historischen Hintergrund der wechselhaften Kulturentwicklung einer Landschaft am Oberen In-
dus wieder und trägt damit wesentlich dazu bei, die Geschichte der nördlichen Gebirgsregionen um den
Oberen Indus zu rekonstruieren. Das noch immer sehr bruchstückhafte und stellenweise unscharfe Bild
einer Kulturgeschichte der Region wird durch die Vorlage weiterer Felsbildkomplexe zweifellos an Kon-
turen gewinnen und könnte dasjenige untermauern, erweitern und vielleicht in manchen Punkten modifi-
zieren, das K. Jettmar in seinen grundlegenden Arbeiten zur Geschichte dieser Region gezeichnet hat.
111 “It is a common belief in magic that a man who has a picture also possesses the thing depicted” (TALLGREN 1933: 196);
vgl. auch Harva 1938: 255f.
112 Jettmar 1997: 58.
113 Jettmar 1989: XXIII.
114 Vgl. in diesem Sinne auch CLOITES/LEWIS-WILLIAMS 1997: 69f., 80f. usw.
115 So JETTMAR 1982: 21 und ders. 1980: 209.
 
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