28 Der Fall Wagner
wollen." (KSB 8, Nr. 1214, S. 554, Z. 18-23) Wie gelungen die Provokation war,
Bizet gegen Wagner auszuspielen, wird N. noch nach Erscheinen von WA bestä-
tigt. Am 27. 09. 1888 schreibt er an Köselitz: „Ein Curiosum, das Gersdorff mit-
theilt und das mich sehr erbaut: G(ersdorff) ist Zeuge eines rasenden
Wuthausbruchs Wagners gegen Bizet gewesen, als Minnie Hauck in Neapel
war und Carmen sang. Auf dieser Grundlage, daß W(agner) auch hier Partei
genommen hat, wird meine Bosheit an einer gewissen Hauptstelle viel schärfer
empfunden werden." (KSB 8, Nr. 1122, S. 443, Z. 32-38; der Brief von Gersdorff
an N., 23. 09. 1888, KGB III 6, Nr. 582, S. 312, Z. 38-50) Die Episode greift N. in
seinem Brief an Carl Spitteler auf, in dem er sich für dessen Rezension von WA
im Bund bedankt, und er verknüpft sie mit WA Vorwort, KSA 6, 11, 2-4: „Daß
ich meine ,Bekehrung' an Carmen anknüpfe, ist natürlich — Sie werden keinen
Augenblick daran zweifeln — eine Bosheit mehr von mir. Ich kenne den Neid,
die Wuthausbrüche Wagners gegen den Erfolg von Carmen — den größten,
anbei gesagt, den die Geschichte der Oper hat." (KSB 8, Nr. 1150, S. 481, Z. 4-9).
Eduard Hanslick betont übrigens in seiner wohlwollenden Darstellung von
Bizets Carmen (Hanslick 1880, 143-149), dass das Werk keineswegs wagneria-
nisch sei, obwohl es in der französischen Kritik dafür gehalten wurde (ebd.,
146 f.).
11, 4 f. Ich bringe unter vielen Spässen eine Sache vor, mit der nicht zu spassen
ist.] Diese als Wortspiel paradoxierte Beschreibung von WA kehrt in der Traves-
tie des lateinischen Mottos 13, 3 wieder: Das befreiende Lachen soll offensicht-
lich jener „Erleichterung" dienen (11, 2), die der erste Satz des Vorwortes ver-
spricht: Eine Entlastung von der Schwere und vom Ernst des Themas bringt die
satirische Brechung, die sich durchaus als Exemplifikation jener subversiven
„fröhlichen Wissenschaft" verstehen lässt, die N. in FW skizziert hat. Die
„Spässe", die satirischen Formen geben zugleich weitreichende Darstellungs-
vollmachten, die dem Verfasser einer ,ernsten' philosophischen Abhandlung
nicht zur Verfügung stehen. Mit der Deklaration der Schrift als spaßhaft-satiri-
scher „Erleichterung" immunisiert sich N. zugleich gegen Kritik, ohne doch in
11, 4 f. den Anspruch auf Ernsthaftigkeit preiszugeben.
11, 5-9 Wagnern den Rücken zu kehren war für mich ein Schicksal; irgend
Etwas nachher wieder gern zu haben ein Sieg. Niemand war vielleicht gefährli-
cher mit der Wagnerei verwachsen, Niemand hat sich härter gegen sie gewehrt,
Niemand sich mehr gefreut, von ihr los zu sein. Eine lange Geschichte!] In W II
7, 70 notierte N. dazu die folgenden Stichworte: „Wagnern Lebewohl zu
sagen — mit der Wagnerei verwachsen / Dunkel, vieldeutig, ahnungsvoll" (KSA
14, 402). N. lernte Wagner persönlich am 8. November 1868 in Leipzig bei
Hermann Brockhaus kennen, nachdem er bereits 1861 zusammen mit Gustav
wollen." (KSB 8, Nr. 1214, S. 554, Z. 18-23) Wie gelungen die Provokation war,
Bizet gegen Wagner auszuspielen, wird N. noch nach Erscheinen von WA bestä-
tigt. Am 27. 09. 1888 schreibt er an Köselitz: „Ein Curiosum, das Gersdorff mit-
theilt und das mich sehr erbaut: G(ersdorff) ist Zeuge eines rasenden
Wuthausbruchs Wagners gegen Bizet gewesen, als Minnie Hauck in Neapel
war und Carmen sang. Auf dieser Grundlage, daß W(agner) auch hier Partei
genommen hat, wird meine Bosheit an einer gewissen Hauptstelle viel schärfer
empfunden werden." (KSB 8, Nr. 1122, S. 443, Z. 32-38; der Brief von Gersdorff
an N., 23. 09. 1888, KGB III 6, Nr. 582, S. 312, Z. 38-50) Die Episode greift N. in
seinem Brief an Carl Spitteler auf, in dem er sich für dessen Rezension von WA
im Bund bedankt, und er verknüpft sie mit WA Vorwort, KSA 6, 11, 2-4: „Daß
ich meine ,Bekehrung' an Carmen anknüpfe, ist natürlich — Sie werden keinen
Augenblick daran zweifeln — eine Bosheit mehr von mir. Ich kenne den Neid,
die Wuthausbrüche Wagners gegen den Erfolg von Carmen — den größten,
anbei gesagt, den die Geschichte der Oper hat." (KSB 8, Nr. 1150, S. 481, Z. 4-9).
Eduard Hanslick betont übrigens in seiner wohlwollenden Darstellung von
Bizets Carmen (Hanslick 1880, 143-149), dass das Werk keineswegs wagneria-
nisch sei, obwohl es in der französischen Kritik dafür gehalten wurde (ebd.,
146 f.).
11, 4 f. Ich bringe unter vielen Spässen eine Sache vor, mit der nicht zu spassen
ist.] Diese als Wortspiel paradoxierte Beschreibung von WA kehrt in der Traves-
tie des lateinischen Mottos 13, 3 wieder: Das befreiende Lachen soll offensicht-
lich jener „Erleichterung" dienen (11, 2), die der erste Satz des Vorwortes ver-
spricht: Eine Entlastung von der Schwere und vom Ernst des Themas bringt die
satirische Brechung, die sich durchaus als Exemplifikation jener subversiven
„fröhlichen Wissenschaft" verstehen lässt, die N. in FW skizziert hat. Die
„Spässe", die satirischen Formen geben zugleich weitreichende Darstellungs-
vollmachten, die dem Verfasser einer ,ernsten' philosophischen Abhandlung
nicht zur Verfügung stehen. Mit der Deklaration der Schrift als spaßhaft-satiri-
scher „Erleichterung" immunisiert sich N. zugleich gegen Kritik, ohne doch in
11, 4 f. den Anspruch auf Ernsthaftigkeit preiszugeben.
11, 5-9 Wagnern den Rücken zu kehren war für mich ein Schicksal; irgend
Etwas nachher wieder gern zu haben ein Sieg. Niemand war vielleicht gefährli-
cher mit der Wagnerei verwachsen, Niemand hat sich härter gegen sie gewehrt,
Niemand sich mehr gefreut, von ihr los zu sein. Eine lange Geschichte!] In W II
7, 70 notierte N. dazu die folgenden Stichworte: „Wagnern Lebewohl zu
sagen — mit der Wagnerei verwachsen / Dunkel, vieldeutig, ahnungsvoll" (KSA
14, 402). N. lernte Wagner persönlich am 8. November 1868 in Leipzig bei
Hermann Brockhaus kennen, nachdem er bereits 1861 zusammen mit Gustav