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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0067
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48 Der Fall Wagner

Merimee die Passion ganz abgesprochen wird: „Merimee, superieur comme
joaillier en vices et comme ciseleur en difformites, gehört zur Bewegung von
1830, nicht durch die passion (sie fehlt ihm —), sondern durch die Neuheit des
calculirten procede, und die kühne Wahl der Stoffe." Es handelt sich hier um
ein Exzerpt aus Foucher 1873, 303: „Si Merimee a aime ä mettre en scene les
natures corrompues, les crimes pittoresques, il faut avouer que c'est avec un
tact prodigieux, un fini inimitable. Il a ete et restera un type veritable et supe-
rieur comme joaillier en vices et comme ciseleur en difformites. / Merimee se
rattache au mouvement de 1830, non par la passion qui lui manquait absolu-
ment (ce qui fut une circonstance attenuante aux yeux de certains adversaires
litteraires) mais par la nouveaute du procede calcule, le choix hardi des sujets.
Merimee fut le doctrinaire du romantisme." („Auch wenn Merimee es geliebt
hat, die verdorbenen Naturen, die exzentrischen Verbrechen zu inszenieren,
muss man doch zugeben, dass er dies mit außergewöhnlichem Takt, einer
unnachahmlichen Vollendung getan hat. Er war und wird ein wahrhaftiger
und außerordentlicher Schmied der Sünden und Ziseleur der Difformitäten
bleiben. / Merimee gehört der Bewegung von 1830 an, nicht durch seine Lei-
denschaft, die ihm völlig fehlte (was in den Augen einiger literarischer Gegner
ein mildernder Umstand war), aber durch sein kalkuliertes Vorgehen, seine
dreiste Wahl der Themen. Merimee war der Doktrinär der Romantik.") Bei
Albert 1885, 2, 305 f. wird Merimee bescheinigt, er sei ein Künstler, dessen
Genie darin liege, dass er auswähle und nur das Nötigste behalte: „L'art de
choisir, tout est lä." (Ebd., 306. „Die Kunst des Auswählens, alles ist da." Kur-
sive im Original, überdies von N. unterstrichen.) In NL 1881, KSA 9, 15[67], 657
werden andere Assoziationen wach: „Warum überkommt mich fast in regelmä-
ßigen Zeiträumen ein solches Verlangen nach Gil Blas und wiederum nach den
Novellen Merimees? Hat mich nicht Carmen mehr bezaubert als irgend eine
Oper, in der mir diese geliebte Welt (die ich im Grunde nur auf halbe Jahre
verlasse) wiederklingt?" Die Überlegung schließt offensichtlich an die Lektüre
des Klavierauszuges von Carmen an. Dort notiert er zur Seguidilla: „Seguedi-
glia — von mir sehr bewundert! — Auch als Text. (Gehört zu meiner Gil Blas-
Seligkeit.)" (Daffner o. J., 33) Zur Einleitung zum 2. Akt heißt es: „Höchst süd-
ländisch. Unsere ganze geliebte Gil Blas-Welt!" (Ebd., 34) Zur Erklärung von
N.s Carmen-Präferenz vgl. auch die Überlegungen von Scheib 2008.
15, 8 limpidezza] Italienisch: „Durchsichtigkeit", „Klarheit", „Reinheit". In
N.s Werken kommt der Ausdruck nur hier vor.
15, 10 f. Diese Musik ist heiter; aber nicht von einer französischen oder deut-
schen Heiterkeit.] Als Repräsentanten der „deutschen Heiterkeit" hatte N. in
UB IV WB 8, KSA 1, 480, 2-14 noch durchaus affirmativ Wagner aufgeboten:
 
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