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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0082
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Stellenkommentar WA 3, KSA 6, S. 17-18 63

trostlosen Äußerungen Markes am Schluss des Werkes, nämlich in der dritten
Szene des dritten Aufzugs, nachdem ihm endlich klar geworden ist, dass sich
Isolde und Tristan lieben, Tristan aber schon tot ist: „Warum, Isolde, / warum
mir das? / Da hell mir enthüllt, / was zuvor ich nicht fassen könnt', / wie selig,
dass / den Freund / ich frei von Schuld da fand! / Dem holden Mann / dich
zu vermählen, / mit vollen Segeln / flog ich dir nach. / Doch Unglückes /
Ungestüm, / wie erreicht es, wer Frieden bringt? / Die Ernte mehrt' ich dem
Tod: / der Wahn häufte die Not." Stellt N. in WA Tristan und Isolde ganz unter
das Erlösermotiv, so hat er zur Tristan-Marke-Konstellation in NL 1878, KSA 8,
30[110], 541, 8 notiert: „Völlige Abwesenheit der Moral bei Wagner's Helden."
Vgl. zur Interpretation auch Hödl 2009, 570.
17, 31-34 Der Lohengrin enthält eine feierliche In-Acht-Erklärung des Forschens
und Fragens. Wagner vertritt damit den christlichen Begriff „du sollst und musst
glauben". Es ist ein Verbrechen am Höchsten, am Heiligsten, wissenschaftlich
zu sein...] Vgl. NK 17, 20-23. N. versteht das von Lohengrin ausgesprochene
Verbot, nach seiner Herkunft und seinem Namen zu fragen, als Ausdruck einer
tiefsitzenden Wissenschaftsfeindlichkeit. Solche Wissenschaftsfeindlichkeit
gilt N., wie er in AC 48 bis 50 (KSA 6, 226-230) breit ausführt, als Charakteristi-
kum des Christentums, das den Glauben zulasten des Wissens privilegiere.
Wagner wird in 17, 31-34 also in diese von N. verabscheute Tradition des Chris-
tentums gestellt.
18, 4-9 Was wird aus dem „ewigen Juden", den ein Weib anbetet und fest-
macht? Er hört bloss auf, ewig zu sein; er verheirathet sich, er geht uns Nichts
mehr an. — In's Wirkliche übersetzt: die Gefahr der Künstler, der Genie's — und
das sind ja die „ewigen Juden" — liegt im Weibe: die anbetenden Weiber
sind ihr Verderb.] Vgl. NK 17, 4-6. Offenkundig spielt N. auf Wagners Ehe mit
Cosima von Bülow, der Tochter von Franz Liszt an, die erst nach ihrer Schei-
dung vom Wagner-Verehrer Hans von Bülow möglich wurde. Den Verdacht,
dass der oft antisemitisch sich gebärdende Wagner in Wahrheit Jude gewesen
sei, artikuliert N. in WA Nachschrift, KSA 6, 41, 24-30 (Fn.). Cosima, die nach
Wagners Tod die Leitung der Bayreuther Festspiele übernahm, erscheint N.
als Prototyp des ,anbetenden Weibes'. Eine Vorarbeit zu 18, 4-9 macht den
biographischen Bezug unmittelbar deutlich: „Frau Cosima Wagner ist das ein-
zige Weib größeren Stils, das ich kennen gelernt habe; aber ich rechne ihr es
an, daß sie Wagnern verdorben hat. Wie das gekommen ist? Er ,verdiente'
solch ein Weib nicht: zum Dank dafür verfiel er ihr. — Der Parsifal W(agner)s
war zu allererst- und anfänglichst eine Geschmacks-Condescendenz W(agner)s
zu den katholischen Instinkten seines Weibes(,) der Tochter Liszt's, eine Art
Dankbarkeit und Demuth von Seiten einer schwächeren vielfacheren leidende-
 
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