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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0100
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Stellenkommentar WA 5, KSA 6, S. 21-22 81

„Beziehungen" zu Richard und Cosima Wagner „aus [...] einen großen Kreis
interessanter Menschen (und ,Menschinnen') kennen gelernt" habe, „im
Grunde fast Alles, was zwischen Paris und Petersburg wächst" (KSB 8, Nr. 1014,
S. 289, Z. 6-8). Beide Städte bezeichnen den Horizont, vor dem sich für N. die
europäische Kultur aufspannt (vgl. z. B. auch den Brief an Carl Spitteler, 16. 07.
1888, Nr. 1061, S. 352, Z. 44 f.). In Paris — wo Wagner schon zwischen 1840
und 1842 lebte — gab es tatsächlich eine sehr ausgeprägte Wagner-Verehrung,
zu der sich beispielsweise schon Baudelaire bekannte, was N. nach seinem
Brief an Köselitz vom 26. 02. 1888 bei der Lektüre der (Euvres posthumes ent-
deckte (KSB 8, Nr. 1000, S. 263 f.). In Paris erschien von 1884 an die von Edou-
ard Dujardin begründete Revue Wagnerienne; über die anhaltende Präsenz
Wagners im Kulturleben der französischen Hauptstadt konnte sich N. auch im
Journal des Debats informieren (exemplarisch Journal des Debats, 01. 01. 1888,
S. 1, vgl. Kohli 2011, 30-32).
St. Petersburg wiederum assoziert N. mit „Nihilismus" (FW 347, KSA 3,
582, 20) sowie „Tolstoi'sche[m] ,Mitleid"' (GM III 26, KSA 5, 406, 12). Auch
Dostojewskij, dessen Werke N. in dieser Zeit kennenlernt, wird er mit St. Peters-
burg in Verbindung bringen. Paris und St. Petersburg erscheinen als große
Zentren europäischer Kultur dekadenzanfällig; entsprechend kann N. in AC 7,
KSA 6, 174, 10-12 von der „gesammten litterarischen und artistischen deca-
dence von St. Petersburg bis Paris, von Tolstoi bis Wagner" sprechen. Über die
konkrete Wagner-Rezeption in St. Petersburg dürfte N. allenfalls oberflächlich
unterrichtet gewesen sein.
22, 8-15 Denn dass man nicht gegen ihn sich wehrt, das ist selbst schon ein
Zeichen von decadence. Der Instinkt ist geschwächt. Was man zu scheuen hätte,
das zieht an. Man setzt an die Lippen, was noch schneller in den Abgrund
treibt. — Will man ein Beispiel? Aber man hat nur das regime zu beobachten,
das sich Anämische oder Gichtische oder Diabetiker selbst verordnen. Definition
des Vegetariers: ein Wesen, das eine corroborirende Diät nöthig hat.] In WA 5
wird wie später in EH Warum ich so klug bin 1, KSA 279-281 bei N.s Selbstdeu-
tungsbemühungen geistig-künstlerische Tätigkeit auf ihre physisch-physiologi-
sche Unterfütterung, kurz: auf Nahrung zurückgeführt und damit das „in die
Wolken" (22, 8) Abgehobene unsanft geerdet. In 22, 8-15 wird nach Lampl
1986, 264 unter Verweis auf NL 1888, KSA 13, 15[37], 429-431 und 14[66], 251
(KGW IX 8, W II 5, 169, 1-14) auf Charles Fere angespielt; genau sind die Bezüge
bei Lampl aber nicht nachgewiesen (vgl. auch Müller-Lauter 1999b, 17-19). Eine
vegetarische Lebensweise gilt, um eine andere einschlägige Lektüre N.s zu
erwähnen, bei Löwenfeld 1887, 14-16 nur in wenigen Einzelfällen als nerven-
therapeutisch nutzbar. Zur Diät des Diabetikers vgl. Kunze 1881, 592 (vor allem
soll er Fleisch essen und Zuckerhaltiges meiden), während dem an „perni-
 
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