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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0101
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82 Der Fall Wagner

ciöse[r] Anämie" Leidenden keine Diät mehr helfe (ebd., 575 f.). Der Gicht-
kranke solle „den Genuss des Fleisches, Weines (namentlich Champagners),
Bieres, Kaffees beschränken", stattdessen „zu Pflanzenkost und einfacher
Küche" übergehen (ebd., 604). Vgl. zu N.s und Wagners Diskussion über den
Vegetarismus NK KSA 6, 281, 2-3. Der späte Wagner hatte sich wieder dem
Vegetarismus zugewandt.
22, 15 corroborirende Diät] Eine kräftigende Diät. „Korroboration (lat.), Stär-
kung; Korroborativ (Corroborans), Stärkungsmittel" (Meyer 1885-1892, 10, 102).
22, 19 f. Die Krankheit selbst kann ein Stimulans des Lebens sein: nur muss
man gesund genug für dies Stimulans sein!] Sehr ähnlich in EH Warum ich so
weise bin 2, KSA 6, 266, 29-31. An anderen Stellen hat hingegen die Kunst
diesen stimulatorischen Effekt, vgl. NK KSA 6, 127, 21 f. Zur Rezeption dieser
Idee bei Thomas Mann siehe Pütz 1995.
22, 22-24 Oh über das Klapperschlangen-Glück des alten Meisters, da er
gerade immer „die Kindlein" zu sich kommen sah!] Vgl. NK 16, 22. In einer
Vorarbeit in NL 1888, KSA 13, 16[45], 501 heißt es: „das Klapperschlangen-
Glück des großen Zauberers, dem die Unschuldigsten in den Rachen laufen..."
Die „Kindlein", die Wagner offenbar anzieht wie der Rattenfänger von Hameln
(vgl. NK KSA 6, 58, 2), sind bereits bei Matthäus 19, 14 Jesus willkommen:
„Aber JEsus sprach: Lasset die Kindlein, und wehret ihnen nicht zu mir zu
kommen; denn solcher ist das Himmelreich." (Die Bibel: Neues Testament
1818, 26) Den Vorwurf der Rattenfängerei gegen Wagner, den N. in NL 1885,
KSA 11, 41[7], 675, 27 (KGW IX 4, W I 5, 22, 12) auch explizit formuliert, stammt
aus dem damals gängigen Anti-Wagner-Repertoire: „,0 du schlauer Ratten-
fänger von Bayreuth! Du lockst Alle, die grossen und die kleinen, die klugen
und die dummen Kinder.' (Fr. Spielhagen, 1874.) Auch Ludwig Hart-
mann gebraucht im Herbst 1876 dieses Bild, wenn er schreibt: ,Wagner hat
etwas Fascinirendes, er versteht es, wie der Rattenfänger von Hameln,
die rechte Melodie zu blasen'" (Tappert 1877, 31).
22, 25 f. Wagner's Kunst ist krank] Das Urteil, das N. hier auf Wagner persön-
lich anwendet, ist in verallgemeinerter Form zu N.s Zeit schon im Umlauf.
George Sand beispielsweise, von der N. 1888 sagt, er habe ein Werk über sie
gelesen (vgl. NK KSA 6, 114, 22), berichtet in der Histoire de ma vie: „Schon
bei den ersten Schritten auf dem Wege der Kritik hat Gustav Planche seinen
Standpunkt mit aller Entschiedenheit eines absoluten Geistes angegeben. ,Die
Kunst ist krank,' schrieb er 1831; ,und demnach müssen wir sie behandeln,
müssen sie trösten, aufrichten, wie das in der Aufgabe eines guten Arztes liegt,
und müssen ihr das Ziel der Genesung als ein bald zu erreichendes schildern'."
 
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