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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0132
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Stellenkommentar WA 7, KSA 6, S. 27-28 113

dann adoptiert er einen medizinischen Terminus, mit dem er seinem philoso-
phischen Schreiben eine naturwissenschaftliche Weihe gibt und ihm diagnosti-
sche Kapazität zubilligt. Vgl. zum Begriff der Semiotik bei N. NK KSA 6, 98, 17-
22, ferner NK KSA 6, 320, 6.
28, 2 wie er kleine Einheiten gewinnt] In Bourgets Bild der Brüder Goncourt,
die N. anschließend zum Vergleich heranzieht (vgl. NK 28, 7-9), sind die „petits
faits" gleichfalls prominent: „le roman de constatation, d'analyse minutieuse,
de nomenclature et de petits faits, est aussi celui qui convient le mieux ä
notre äge d'universel recensement." (Bourget 1886, 161. Von N. mit Randstrich
markiert; Kursiviertes von ihm unterstrichen; „der konstatierende Roman, der
Roman der minutiösen Analyse, der Nomenklatur und der kleinen Fakten ist
auch derjenige, der am besten in unsere Zeit der universellen Bestandsauf-
nahme passt." Vgl. auch ebd., 152).
28, 4-9 Wie armselig, wie verlegen, wie laienhaft ist seine Art zu „entwickeln",
sein Versuch, Das, was nicht auseinander gewachsen ist, wenigstens durcheinan-
der zu stecken! Seine Manieren dabei erinnern an die auch sonst für Wagner's
Stil heranziehbaren freres de Goncourt: man hat eine Art Erbarmen mit soviel
Nothstand.] In W II 7, 42 (KSA 14, 405 f.) lautet die Stelle: „Wie frech, wie
ungeschickt stolpert er daher! Wie gequält klingt sein falscher Contrapunkt!
Seine Manieren dabei — das Feilen an Stelle der Inspiration — erinnern an die
freres de Goncourt: man hat sein Erbarmen bei so viel Nothstand".
28, 7-9 Seine Manieren dabei erinnern an die auch sonst für Wagner's Stil
heranziehbaren freres de Goncourt] Vgl. zum dekadenten Stil der Brüder
Edmond (1822-1896) und Jules Huot de Goncourt (1830-1870) NK KSA 6, 111,
14 f. Den Goncourt-Essay in Paul Bourgets Nouveaux essais studierte N. mit
dem Stift in der Hand (Bourget 1886, 135-198; zu ihrem Stil eingehend ebd.,
180-198 mit vielen Markierungen N.s). Bourget nähert die Brüder Goncourt
wiederum Baudelaire an und bringt sie mit der französischen Romantik in
Zusammenhang (ebd., 189 f.). Die Goncourts streben nach dem Pittoresken um
des Pittoresken willen (ebd., 192, vgl. den Quellenauszug in NK KSA 6, 179, 27-
29). Mit vielen Anstreichungen am Rand versieht N. die folgende Passage (von
ihm Unterstrichenes kursiviert): „Ils evoquent un interieur, un paysage, une
rue, avec une imagination d'ecrivain aiguise, — mais l'homme qu'ils placent
dans ce cadre ne pouvait pas voir ainsi. C'est lä, dans tous les romans de
moeurs composes avec la prose si vibrante des Goncourt et de leurs disciples,
le point faible, le paradoxe premier, l'erreur initiale. On y reconnaitra un cas
particulier de l'irreductible antithese entre l'art et la science. Le /195/ premier,
qui cherche l'expression, interprete forcement la realite en la deformant, afin
de produire un certain effet; au lieu que la science admet cette realite nue en
 
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