Stellenkommentar WA 8, KSA 6, S. 28-29 119
kung des Magnets auf den menschlichen Körper und bemerkte hierbei, daß
auch ohne Anwendung des Magnets, durch bloßes Streichen mit den Händen,
eigentümliche Wirkungen hervorgebracht wurden, die eine rätselhafte, auf den
menschlichen Organismus wirkende Kraft zu bekunden schienen." (Meyer
1885-1892, 11, 82).
29, ll f. Ein Lexikon der intimsten Worte Wagner's] An Wagner-Lexika
herrschte schon damals kein Mangel, siehe z. B. das in N.s privater Bibliothek
befindliche Wagner-Lexikon von Carl Friedrich Glasenapp und Heinrich von
Stein (1883) oder Wilhelm Tapperts Wagner-Lexicon. Wörterbuch der Unhöflich-
keit (1877). Stein gegenüber lässt sich N. wenig schmeichelhaft zu dessen Wag-
ner-Lexikon vernehmen, siehe NK 44, 9-11.
29, 14 f. Wagner hatte die Tugend der decadents, das Mitleiden] WA 6, KSA 6,
26, 16 f. hatte bereits vom Zur-Schau-Stellen des „grossen christliche[n] Mitlei-
dens" gesprochen. In seinem Spätwerk ringt sich N. (vor dem Hintergrund
von Spinoza und Kant) zu einer Fundamentalkritik des Mitleids durch, das als
„schädlicher als irgend ein Laster" gilt (AC 2, KSA 6, 170, 14), weil es schwächt
und der Lebensverneinung dient (AC 7, KSA 6, 172-174). Wagner hatte sich zu
einer „Religion des Mitleidens" (Wagner 1907, 10, 200) bekannt, siehe
ausführlicher NK KSA 6, 172, 28 f.
8
29, 27 f. Der Schauspieler Wagner ist ein Tyrann] Dieser in 30, 12 wiederkeh-
rende Vorwurf tyrannischer Neigung richtet sich in WA 8 ganz auf das Schau-
spielerische in Wagners Persönlichkeit. Das Tyrannen-Motiv ist in N.s Werk
schon früh mit Wagner assoziiert, zunächst als Ausweis von Wagners ungeheu-
erlicher Kraft. Wagner als künstlerisches Kraftgenie scheint in UB IV WB 8,
KSA 1, 472, 29-32 noch jegliches Recht zu tyrannischen Neigungen zu haben:
„Er wollte siegen und erobern, wie noch kein Künstler und womöglich mit
Einem Schlage zu jener tyrannischen Allmacht kommen, zu welcher es ihn so
dunkel trieb." Verhaltener klingt es bereits in kritischen Notaten aus dem frü-
hen Nachlass, z. B. in NL 1873/74, KSA 7, 32[32], 764 f. Auch die Schattenseiten
der Tyrannei werden dort benannt: „Der Tyrann lässt keine andre Individuali-
tät gelten als die seinige" (ebd., 765, 1 f.). Das Theater ist dabei das privilegierte
Feld, diese Neigungen auszuleben, siehe NL 1874, KSA 7, 32[61], 775, 5-13:
„Wagner versucht die Erneuerung der Kunst von der einzigen noch vorhande-
nen Basis aus, vom Theater aus: hier wird doch wirklich noch eine Masse
kung des Magnets auf den menschlichen Körper und bemerkte hierbei, daß
auch ohne Anwendung des Magnets, durch bloßes Streichen mit den Händen,
eigentümliche Wirkungen hervorgebracht wurden, die eine rätselhafte, auf den
menschlichen Organismus wirkende Kraft zu bekunden schienen." (Meyer
1885-1892, 11, 82).
29, ll f. Ein Lexikon der intimsten Worte Wagner's] An Wagner-Lexika
herrschte schon damals kein Mangel, siehe z. B. das in N.s privater Bibliothek
befindliche Wagner-Lexikon von Carl Friedrich Glasenapp und Heinrich von
Stein (1883) oder Wilhelm Tapperts Wagner-Lexicon. Wörterbuch der Unhöflich-
keit (1877). Stein gegenüber lässt sich N. wenig schmeichelhaft zu dessen Wag-
ner-Lexikon vernehmen, siehe NK 44, 9-11.
29, 14 f. Wagner hatte die Tugend der decadents, das Mitleiden] WA 6, KSA 6,
26, 16 f. hatte bereits vom Zur-Schau-Stellen des „grossen christliche[n] Mitlei-
dens" gesprochen. In seinem Spätwerk ringt sich N. (vor dem Hintergrund
von Spinoza und Kant) zu einer Fundamentalkritik des Mitleids durch, das als
„schädlicher als irgend ein Laster" gilt (AC 2, KSA 6, 170, 14), weil es schwächt
und der Lebensverneinung dient (AC 7, KSA 6, 172-174). Wagner hatte sich zu
einer „Religion des Mitleidens" (Wagner 1907, 10, 200) bekannt, siehe
ausführlicher NK KSA 6, 172, 28 f.
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29, 27 f. Der Schauspieler Wagner ist ein Tyrann] Dieser in 30, 12 wiederkeh-
rende Vorwurf tyrannischer Neigung richtet sich in WA 8 ganz auf das Schau-
spielerische in Wagners Persönlichkeit. Das Tyrannen-Motiv ist in N.s Werk
schon früh mit Wagner assoziiert, zunächst als Ausweis von Wagners ungeheu-
erlicher Kraft. Wagner als künstlerisches Kraftgenie scheint in UB IV WB 8,
KSA 1, 472, 29-32 noch jegliches Recht zu tyrannischen Neigungen zu haben:
„Er wollte siegen und erobern, wie noch kein Künstler und womöglich mit
Einem Schlage zu jener tyrannischen Allmacht kommen, zu welcher es ihn so
dunkel trieb." Verhaltener klingt es bereits in kritischen Notaten aus dem frü-
hen Nachlass, z. B. in NL 1873/74, KSA 7, 32[32], 764 f. Auch die Schattenseiten
der Tyrannei werden dort benannt: „Der Tyrann lässt keine andre Individuali-
tät gelten als die seinige" (ebd., 765, 1 f.). Das Theater ist dabei das privilegierte
Feld, diese Neigungen auszuleben, siehe NL 1874, KSA 7, 32[61], 775, 5-13:
„Wagner versucht die Erneuerung der Kunst von der einzigen noch vorhande-
nen Basis aus, vom Theater aus: hier wird doch wirklich noch eine Masse