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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0142
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Stellenkommentar WA 8, KSA 6, S. 30 123

gebrandmarkt werden, kommt es in N.s Nachlass, sobald Hugo überhaupt
näher in N.s Blickfeld rückt, nämlich 1884. Die Beurteilung ist dabei durchge-
hend abschätzig, zunächst in der Bemerkung, beide verträten eine „demagogi-
sche Kunst" (NL 1884, KSA 11, 26[321], 235, 5 f., vgl. NL 1885, KSA 11, 35[81],
546, 24 f. = KGW IX 4, W I 3, 52, 2-4 u. KSA 11, 42[3], 694, 9-11). Das wird dann
in einer Skizze zu einer „Neue[n] unzeitgemäße[n] Betrachtung"
(NL 1885, KSA 11, 41[2], 669, 17) rezeptionsästhetisch perspektiviert: „Die Wag-
nerischen Jünglinge, in manchem Betracht eine sehr erquickliche und edle
Art von Jünglingen, — verehren in Wagnern ungefähr das Gleiche, was die
leidenschaftlichen Jünger Victor Hugo's gegen 1828 an ihrem Meister verehrten:
vor Allem den Meister großer Worte und Gebärden, den Fürsprecher aller
schwellenden Gefühle, aller erhabenen Instinkte, sodann den wagenden Neue-
rer und Kettenlöser im Reiche der älteren strengeren, härteren Kunstschulung,
den Eröffner neuer Zugänge, neuer Ausblicke, neuer Fernen, neuer Tiefen und
Höhen, endlich, und nicht am Wenigsten: diese Jugend verehrt an Wagnern
das Befehlerische, die Fähigkeit, lärmend zu kommandiren, auf sich zu stehen,
auf sich allein zurückzuweisen, hartnäckig zu sich selber Ja zu sagen, und
immer im Namen des ,auserwählten Volks', der Deutschen! — kurz, das Volks-
tribunenhafte und Oratorische an Wagner." (KSA 11, 675, 5-20, korrigiert nach
KGW IX 4, W I 5, 22, 2 u. 24, 26-48, hier zunächst in der wohl ursprünglichsten
Version wiedergegeben) In einer späteren, von N. mehrmals überarbeiteten
Fassung lautet dieselbe Stelle: „Es ist eine erquickliche und edle Art von Jüng-
lingen, — und nichts ist Wagnern mehr zu Gute gekommen als die Rückstrah-
lung vom Glanze dieser jungen Verehrer und ihrer jugendlichen Tugenden, in
welcher noch für lange Zeit sein eigenes Bild leuchten wird. Diese Wagnerianer
verehren in Wagnern ungefähr das Gleiche, was die leidenschaftlichen Jünger
Victor Hugo's gegen 1828 in ihrem Abgotte verehrten: vor Allem den Meister
großer Worte und Gebärden — Wagners Musik ist immer Gebärde —, den Für-
sprecher aller schwellenden Gefühle, aller erhabenen Begierden, sodann den
wagenden Neuerer und Kettenlöser im Kampfe und Gegensätze zur älteren
strengeren, vielleicht beschränkteren Kunstschulung, den Eröffner neuer
Zugänge, neuer Ausblicke, neuer Fernen, neuer Tiefen und Höhen der Kunst,
endlich, und nicht am Wenigsten: diese deutsche Jugend verehrt an Wagnern
einen Befehlshaber, einen, der die Fähigkeit hat, zu kommandiren, auf sich
allein zu stehen, auf sich allein zurückzuweisen, hartnäckig zu sich selber Ja
zu sagen, und immer im Namen des ,auserwählten Volks', der Deutschen! —
kurz, das Volkstribunenhafte und Demagogische dieses Künstlers, was in sei-
ner Natur lag, denn auch W(agner) gehört zu den D(emagogen) der Kunst"
(KGW IX 4, W I 5, 22, 1-3 u. 24, 27-48-25, 13, vgl. NL 1885/86, KSA 12, 2[134],
133 = KGW IX 5, W I 8, 86, 30-32). In NL 1887, KSA 12, 9[171], 436, 25-28 (KGW
 
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