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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0188
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Stellenkommentar WA Nachschrift, KSA 6, S. 42-43 169

ohne Kern, nämlich eine prunkend gleißende Schaustellung der sinnlichsten
Ausdrucksmittel ohne ausdruckswerthe Absicht. In Paris, wo dieses Genre
seine moderne Ausbildung erhielt, und von wo aus es auf unsere Theater über-
gesiedelt wird, hat sich von allen dort entwickelten Ergetzungs- und Luxus-
künsten ein glänzendster Ausfluß gebildet, der auf dem Theater der großen
Oper unüberboten seine Konsistenz gewonnen hat. Alle Vornehmen und Rei-
chen, die sich in der ungeheuren Weltstadt der ausgesuchtesten Vergnügungen
und Zerstreuungen wegen aufhalten, versammeln sich, von Langeweile und
Genußsucht getrieben, in den üppigen Räumen dieses Theaters, um das
höchste Maaß von Unterhaltung sich vorführen zu lassen." (Wagner 1871-1873,
5, 39 f. = Wagner 1907, 5, 31). N. erkennt nun nüchtern, dass auch Wagners
Bayreuth nichts anderes zu bieten hat als die von ihm einst verleumdete
„Große Oper". Das später von ihm selbst verworfene (und in vielerlei Hinsicht
dem Vorbild Meyerbeers verpflichtete) Frühwerk Wagners Rienzi trug noch den
Untertitel „Große tragische Oper in 5 Akten".
42, 22 f. Das Theater ist eine Form der Demolatrie in Sachen des Geschmacks]
Das bei N. nur hier belegbare, griechische Kunstwort „Demolatrie" bedeutet
„Verehrung, Vergötzung des Volkes" (zum Thema im Horizont der ästhetischen
Diskussion des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts siehe auch Müller-
Schöll 1995/1996). Streng genommen handelt es sich bei „Demolatrie" nicht
um einen Neologismus N.s, auch wenn der Begriff vor ihm überaus selten
belegt ist: Als lateinische demolatria taucht er in einer Version des von Atto von
Vercelli (ca. 885-960) verfassten Polypticum bereits auf (Attonis Vercellensis
Episcopi Opera Omnia = Patrologiae latinae cursus completus. Series secunda,
ed. Jacques Paul Migne, Bd. 134, Paris 1853, 892 A). N. wird diesen Text nicht
gekannt haben.
42, 34 Weltverleumderisches] Vgl. NK KSA 6, 371, 6.
43, 4 nihilistischen (— buddhistischen) Instinkte] Zum ersten Mal fällt hier in
WA ein Wort aus dem Wortfeld des Nihilismus, das in N.s Spätwerk überaus
präsent ist (vgl. z. B. NK KSA 6, 172, 25 f.). Den Buddhismus hält N. für eine
„nihilistische Religion[.]" (AC 20, KSA 6, 186, 5), da auch er das Leben verneint.
43, 7-9 Alles, was je auf dem Boden des verarmten Lebens aufgewachsen
ist, die ganze Falschmünzerei der Transscendenz und des Jenseits.] In W II 7, 53
heißt es nur „das buddhistische Nirväna Nichts" (KSA 14, 408).
43, 12 f. Die Musik als Circe...] Vgl. NK 20, 34-21, 1.
43, 14-17 Der Parsifal wird in der Kunst der Verführung ewig seinen Rang
behalten, als der Geniestreich der Verführung... Ich bewundere dies Werk,
ich möchte es selbst gemacht haben; in Ermangelung davon verstehe ich
 
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