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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0189
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170 Der Fall Wagner

es...] Die Pointe besteht gerade darin, dass der Titelheld in Wagners Parsifal
sich Kundrys Verführungskünsten erfolgreich widersetzt. Aufschlussreich ist
dazu N.s Brief an Heinrich Köselitz vom 25. 07. 1882: „Sonntags war ich in
Naumburg, um meine Schwester ein wenig noch auf den Parsifal vorzuberei-
ten. Da gieng es mir seltsam genug! Schließlich sagte ich: ,meine liebe Schwes-
ter, ganz diese Art Musik habe ich als Knabe gemacht, damals (als) ich
mein Oratorium machte' — und nun habe ich die alten Papiere hervorgeholt
und, nach langer Zwischenzeit, wieder abgespielt: die Identität von Stim-
mung und Ausdruck war märchenhaft! Ja, einige Stellen z. B. ,der Tod der
Könige' schienen uns Beiden ergreifender als alles, was wir uns aus dem P(ar-
sifal) vorgeführt hatten, aber doch ganz parsifalesk! Ich gestehe: mit einem
wahren Schrecken bin ich mir wieder bewußt geworden, wie nahe ich eigent-
lich mit W(agner) verwandt bin." (KSB 6, Nr. 272, S. 231, Z. 26-38) Gemeint
ist das von N. 1860/61 komponierte Weihnachtsoratorium (in der von Curt Paul
Janz herausgegebenen Ausgabe von N.s musikalischem Nachlass: Nietzsche
1976, 254-287 u. 349).
43, 23 reine Thoren] Wagners letzter Held Parsifal ist der reine Tor, vgl.
NK 34, 12 f. und NK KSA 6, 130, 14-17.
43, 26 Femininismen] Vgl. NK KSA 303, 19-22.
43, 27 Idiotikon des Glücks] Ein Idiotikon ist ein „Wörterbuch, welches die
Eigenheiten eines Dialekts (Idiotismen) enthält" (Meyer 1885-1892, 8, 878). Das
,Fachwörterbuch des Glücks', das in 43, 27 angekündigt wird, ist überdies ein
sicheres Mittel, sich zum Idioten oder „reine[n] Thoren" (43, 23) zu
machen. Zum Idiotischen vgl. NK 23, 9-11, zum Idiotismus z. B. NK KSA 6, 177,
31.
43, 27 f. Trinkt nur, meine Freunde, die Philtren dieser Kunst!] Als Philtron
oder Philtrum wird in der Antike ein Liebestrank bezeichnet, „dessen sich
der Aberglaube bediente, um in Individuen des andern Geschlechts Liebe zu
erwecken" (Meyer 1885-1892, 12, 1023).
43, 29 f. eure Männlichkeit unter einem Rosengebüsche zu vergessen...] N.
spielt einerseits auf den Zaubergarten Klingsors (vgl. NK 43, 31) im Parsifal
sowie die von Klingsor zur Verführung Parsifals ausgesandte „Höllenrose" Kun-
dry an (die Rosenmetapher bemüht Wagner auch, als er Klingsor teichosko-
pisch Parsifals kühne Eroberung seines Schlosses schildern lässt: „Ha! Wie
stolz er nun steht auf der Zinne! / Wie lachen ihm die Rosen der Wangen, / da
kindisch erstaunt / in den einsamen Garten er blickt!" Wagner 1907, 10, 349).
Andererseits evoziert 43, 29 f. Heinrich Hoffmann von Fallerslebens damals
berühmtes Gedicht Im Rosenbusch die Liebe schlief, das N. schon als Schüler
 
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