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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0191
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172 Der Fall Wagner

44, 6 (Verderbniss)] In KSA u. KGW ergänzt nach W II 7, 57 (KSA 14, 408).
44, 7-9 Wagner wirkt wie ein fortgesetzter Gebrauch von Alkohol. Er stumpft
ab, er verschleimt den Magen. Spezifische Wirkung: Entartung des rhythmischen
Gefühls.] Über die Wirkungen des Alkohols hat sich N. bei Richet 1884, 92-108
kundig gemacht, wo freilich die „Entartung des rhythmischen Gefühls" nicht
thematisiert wird. In einer Notiz „Zu Ehren der Laster" gruppiert N. die grie-
chische Kultur und die Päderastie sowie die deutsche Musik und die Trunk-
sucht zusammen (Nachlass 1887, KSA 12, 9[21], 347 = KGW IX 6, W II 1, 120,
28-37).
44, 9 Entartung des rhythmischen Gefühls] Vgl. Bellaigue 1885, 463: „Deux
choses capitales manquent ä cette musique: le rythme et la tonalite." („Dieser
Musik fehlen zwei wesentliche Dinge: der Rhythmus und die Tonalität.").
44, 9-11 Der Wagnerianer nennt zuletzt rhythmisch, was ich selbst, mit einem
griechischen Sprüchwort, „den Sumpf bewegen" nenne} Das „Sprüchwort"
bemüht N. auch in M 18, KSA 3, 31, 29-33: „selbst in dieser sogenannten Welt-
geschichte, welche im Grunde ein Lärm um die letzten Neuigkeiten ist, giebt
es kein eigentlich wichtigeres Thema, als die uralte Tragödie von den Märty-
rern, die den Sumpf bewegen wollten". Den griechischen Wortlaut
zitiert N. in einem Briefentwurf an Heinrich von Stein, Mitte März 1885: „Ihnen
als dem Verfasser des Wagner-Lexikons! in das ich inzwischen auch ein Mal
hineingeblickt habe — und daß ichs ausspreche, mit einem unsäglichen
Abscheu vor diesem anmaaßlichen Gefasel über jeglich Ding. ,Man soll diesen
Sumpf nicht aufrühren' pq k(vel Kapdpivav, sagte der Syrakusaner -" (KSB
7, Nr. 584, S. 27 f., Z. 57-62, berichtigt nach KGB III 7/2, S. 556, vgl. in Hoffmann
1991, 647 die Fassung dieser Stelle in den Koegel-Exzerpten). Kamarina ist der
Name eines sumpfigen Binnengewässers nahe der gleichnamigen sizilischen
Stadt. Als die Bewohner von Kamarina das Orakel fragten, ob sie den Sumpf-
See trockenlegen sollten, gab es die Auskunft pq k(vel Kapdptvav, „Rühr Kama-
rina nicht auf!" Das Sprichwort ist in diversen antiken und späteren Sammlun-
gen überliefert (vgl. z. B. Zenobios von Athos: Proverbia V 18; Oracula Sibyllina
III 736, ferner Vergil: Aeneis III 700 f.; die daraus abgeleitete deutsche Wen-
dung „den Sumpf bewegen" ist z. B. bei Friedrich Maximilian Klinger belegt,
siehe Gervinus 1853, 5, 353).
Die Nutzanwendung des Sprichwortes auf Wagner machte N. auch in NL
1884, KSA 11, 26[394], 254, einem Text, der Motive aus WA Nachschrift vorweg-
nimmt: „Wissen Sie, was ein Sumpf ist? — Der Zufall erlaubte es mir, wieder
alles das bei einander zu sehen, was Richard Wagner und seine Leute zusam-
men in Worten gepredigt haben: in den übel berufenen Bayreuther Blättern.
Sehen Sie, das ist ein Sumpf: Anmaaßung, Unklarheit, Unwissenheit und —
 
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