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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0192
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Stellenkommentar WA Nachschrift, KSA 6, S. 44 173

Geschmacklosigkeit durcheinander. Wie der Alte singt, so zwitschern die Jun-
gen; darüber wird sich Niemand wundern. Und wäre es nur ein Gesang! Aber
es ist ein Gewinsel, die Wichtigthuerei eines alten Oberpriesters, der sich vor
nichts mehr fürchtet als vor hellen deutlichen Begriffen. Und das will in Din-
gen der Philosophie und Historie mitreden! — II faut etre sec, sagt, mir nach
dem Herzen, mein Freund Stendhal. Man soll den Morast nicht aufrühren. Man
soll auf Bergen wohnen: also sprach mein Sohn Zarathustra."
44, 12 f. Der Jüngling wird zum Mondkalb, — zum „Idealisten".] Auch im zeitge-
nössischen Wagner-Bestiarium fehlt dieses Tier nicht: „Mondkalb. ,Hätt' der
musikal'sche Struwelpeter nischt gemacht äsau aanen Pischtokel (Spekta-
kel) un beleidigt de alte Meister, kaan Mensch hätt' incummedirt dieses dra-
matisch-musikalische Mondkalb.' (Isaac Moses Hersch: ,Herr Richard
Wagner, der musikal'sche Struwelpeter', 1876.)" (Tappert 1877, 25).
44, 15 er schreibt Bayreuther Blätter] Die seit 1878 monatlich erscheinenden
Bayreuther Blätter, die von Wagner initiiert und von Hans von Wolzogen
herausgegeben wurden, sollten Wagner-Propaganda im großen Stil betreiben
und die Festspielbesucher umfassend vorbereiten. „Für eine spätere Zeit, wel-
che auf die Wagner-Epidemie unserer Tage mit ruhigem Urtheil, ja mit ungläu-
bigem Erstaunen zurückblicken wird, werden die ,Bayreuther Blätter' eine
nicht geringe kulturhistorische Wichtigkeit haben. [...] Der künftige Kulturhisto-
riker Deutschlands [...] wird aus [...] dieser Zeitschrift authentisch darstellen
können, wie heftig das delirium tremens des Wagner-Rausches bei uns gewü-
thet und was für Auswüchse es im Denken und Empfinden der ,Gebildeten'
zurückgelassen hat." (Hanslick 1884, 339) Als solcher durch Wagner
geschmacklich verdorbener Jüngling, der für die Bayreuther Blätter schreibt,
stand N. der von ihm sehr geschätzte Heinrich von Stein (1857-1887) vor Augen
(dazu ausführlich Bernauer 1998, ferner NK 45, 2-7). In den Bayreuther Blättern
finden sich bereits 1878 Wagners öffentliche Angriffe auf N. (Publikum und
Popularität, Wagner 1907, 10, 81 ff.; vgl. Janz 1978, 1, 827). N. wird zwar nicht
namentlich erwähnt, dennoch konnte über die Identität des Angegriffenen
kein Zweifel bestehen — zumindest nicht für N. selbst, welcher am 3. Septem-
ber 1878 auf einer Postkarte an Franz Overbeck schrieb: „W(agner)'s bitterböse
unglückliche Polemik gegen mich im Augustheft der Bayr(euther) Bl(ätter)
habe ich nun auch gelesen: es that mir wehe, aber nicht an der Stelle,
wo W(agner) wollte." (KSB 5, Nr. 752, S. 351, Z. 9-12).
44, 16 f. er löst alle Probleme im Namen des Vaters, des Sohnes und des heili-
gen Meisters] Diese Parodie auf die christliche Segensformel „im Namen des
Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes" macht zum einen auf die (unhei-
lige) Allianz des Wagnerianismus mit dem Christentum aufmerksam, zum
 
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