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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0204
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Stellenkommentar WA Zweite Nachschrift, KSA 6, S. 47-48 185

Den Vergleich ihres Meisters mit Beethoven haben die Brahms-Anhänger zum
Missfallen der Kritik schon früh angestellt: „Nicht Wagnerianer, sondern
Brahmanen haben der Welt das erste sinfonische Werk ihres Abgottes (mit
Anknüpfung an Beethoven) als ,zehnte Sinfonie' verkündet! Wir begegnen
eben auch auf dieser Seite dem Geiste des Epigonen-Zeitalters, der sich nicht
entblödet, ein zwar höchst liebenswürdiges /168/ und anmuthiges, aber vor-
waltend doch nur lyrisch geartetes Talent [sc. Brahms], das in einem süßen
Träumen und romantischen Schwärmen seine eigentliche Sphäre findet, mit
einem Titanen wie Beethoven zu vergleichen" (Naumann 1880, 167 f.,
Anm.).
48, 1 Das verstehen die „Unpersönlichen"] Vgl. NK KSA 6, 121, 16-23.
48, 20 „Armen im Geiste"] Vgl. Matthäus 5, 3.
48, 23-26 Ich sage kein Wort von den klugen Affen Wagner's, zum Beispiel
von Goldmark: mit der „Königin von Saba" gehört man in die Menagerie, — man
kann sich sehen lassen.] Der damals berühmte österreichische Komponist Karl
Goldmark (1830—1915) galt, obwohl er mit Brahms befreundet war und Wagner
nur ein einziges Mal (1860) begegnete, als ein Wagner-Epigone (ein differen-
ziertes Urteil über Goldmarks Verhältnis zu Wagner gibt Hanslick 1888, 82 f.,
um doch zum Schluss zu kommen: „Goldmark hat gleich Anderen eingeath-
met, was seit dreißig Jahren Wagnerisches in der Luft liegt. Mitunter hat er
etwas zu tief geathmet." Ebd., 83). Goldmarks Oper Die Königin von Saba
(Libretto von Salomon Hermann von Mosenthal) wurde 1875 uraufgeführt und
zählte zu den beliebtesten musikdramatischen Werken des späten 19. Jahrhun-
derts. Hanslick 1880, 302 bemerkt zu diesem Werk: „Goldmark's Stil hält unge-
fähr die Mitte zwischen Meyerbeer und dem früheren Wagner (,Tannhäuser').
Bei aller mittelbaren Einwirkung Wagner's und trotz einzelner Reminiscenzen
an ihn (gleich in der Ouvertüre) gehört ,Die Königin von Saba' doch nicht zur
eigentlichen Wagner-Schule. [...] Von Meyerbeer und Wagner hat Goldmark die
Leidenschaftlichkeit des Gesanges, die Masseneffecte, den Orchesterprunk, lei-
der auch das Uebermaß in diesen drei Dingen. Er beharrt fast ununterbrochen
auf der Höhe des Pathos und der Exaltation". N. hat sich außer in 48, 23-26
in seinen Werken zu Goldmark nie geäußert; sein Urteil über Goldmarks Musik
war offensichtlich schwankend und kaum durch eigene Erfahrung gefestigt.
Immerhin berichtete N. Köselitz am 02. 12. 1888 von einem Konzert, das er in
Turin erlebt hatte: „Folgte: Sakuntala-Ouvertüre, achtmaliger Beifallssturm.
Alle Teufel, dieser Goldmark! Das hatte ich ihm nicht zugetraut. Diese
Ouvertüre ist hundert Mal besser gebaut als irgend etwas von Wagner und
psychologisch so verfänglich, so raffinirt, daß ich wieder die Luft von Paris zu
athmen begann. Curios: es fehlt die musikalische ,Gemeinheit' so sehr, daß
 
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