Stellenkommentar WA Epilog, KSA 6, S. 52-53 193
die Goethe auszusprechen wagte, mitten in Deutschland, im Lande, wo jenes
Ungeziefer, der Knoblauch, der Tabak und das Kreuz, in heiliger Allianz überall
herrschend sind." Gemeint ist Goethe: Venezianische Epigramme 66: „Vieles
kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge / Duld ich mit ruhigem
Muth, wie es ein Gott mir gebeut. / Wenige sind mir jedoch wie Gift und
Schlange zuwider; / Viere: Rauch des Tabacks, Wanzen und Knoblauch und t".
Vgl. auch NK KSA 6, 431, 29-432, 1 u. Seggern 2005, 107, zu den Venezianischen
Epigrammen NK 18, 23-26.
52, 20 f. Wir kennen alle den unästhetischen Begriff des christlichen Junkers.] Die
von N. verachteten preußischen Junker, die wesentlich die Geschicke des Deut-
schen Reiches bestimmten, scheuten sich nicht, sich zum Christentum zu beken-
nen. „Wohin kam das letzte Gefühl von Anstand, von Achtung vor sich selbst,
wenn unsere Staatsmänner sogar, eine sonst sehr unbefangne Art Menschen und
Antichristen der That durch und durch, sich heute noch Christen nennen und
zum Abendmahl gehn?" (AC 38, KSA 6, 211, 2-5) „Der christliche Junker" ist das
Kapitel 24 im 4. Teil der „ursprünglichen, vollständigsten und besten Ausgabe"
von Heinrich Pestalozzis Roman Lienhard und Gertrud betitelt (Pestalozzi 1831,
4, 81). N. besaß zwar eine Ausgabe von Pestalozzis Roman und scheint sie auch
gelesen zu haben, jedoch folgt diese einer anderen Fassung des Textes, in dem
das fragliche Kapitel noch fehlte (Pestalozzi o. J., vgl. NPB 435).
52, 24-26 Der moderne Mensch stellt, biologisch, einen Widerspruch der
Werthe dar, er sitzt zwischen zwei Stühlen, er sagt in Einem Athem Ja und
Nein.] Vgl. NK KSA 6, 143, 15 f.
52, 28-35 [Anmerkung] Über den Gegensatz „vornehme Moral" und „christli-
che Moral" unterrichtete zuerst meine „Genealogie der Moral": es giebt viel-
leicht keine entscheidendere Wendung in der Geschichte der religiösen und morali-
schen Erkenntniss. Dies Buch, mein Prüfstein für Das, was zu mir gehört, hat das
Glück, nur den höchstgesinnten und strengsten Geistern zugänglich zu sein: dem
Reste fehlen die Ohren dafür. Man muss seine Leidenschaft in Dingen haben, wo
sie heute Niemand hat...] Siehe besonders GM I 10-11, KSA 5, 270-277.
53, 1 Wagner „unter uns wohnte"?] In Johannes 1, 14 heißt es: „Und das
Wort ward Fleisch, und wohnete unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit"
(Die Bibel: Neues Testament 1818, 108). Diese ironische Parallelisierung von
Wagner mit dem göttlichen, nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums in
Jesus Christus Fleisch gewordenen Logos spielt auf die messianischen Hoffnun-
gen an, welche die Wagnerianer (früher auch N. selbst) mit ihrem Meister ver-
banden. Besonders anschaulich macht dieses Milieu und diese Hoffnungen
Eduard Hanslick in seinem polemischen Aufsatz „Wagner-Kultus" (Hanslick
1884, 338-349).
die Goethe auszusprechen wagte, mitten in Deutschland, im Lande, wo jenes
Ungeziefer, der Knoblauch, der Tabak und das Kreuz, in heiliger Allianz überall
herrschend sind." Gemeint ist Goethe: Venezianische Epigramme 66: „Vieles
kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge / Duld ich mit ruhigem
Muth, wie es ein Gott mir gebeut. / Wenige sind mir jedoch wie Gift und
Schlange zuwider; / Viere: Rauch des Tabacks, Wanzen und Knoblauch und t".
Vgl. auch NK KSA 6, 431, 29-432, 1 u. Seggern 2005, 107, zu den Venezianischen
Epigrammen NK 18, 23-26.
52, 20 f. Wir kennen alle den unästhetischen Begriff des christlichen Junkers.] Die
von N. verachteten preußischen Junker, die wesentlich die Geschicke des Deut-
schen Reiches bestimmten, scheuten sich nicht, sich zum Christentum zu beken-
nen. „Wohin kam das letzte Gefühl von Anstand, von Achtung vor sich selbst,
wenn unsere Staatsmänner sogar, eine sonst sehr unbefangne Art Menschen und
Antichristen der That durch und durch, sich heute noch Christen nennen und
zum Abendmahl gehn?" (AC 38, KSA 6, 211, 2-5) „Der christliche Junker" ist das
Kapitel 24 im 4. Teil der „ursprünglichen, vollständigsten und besten Ausgabe"
von Heinrich Pestalozzis Roman Lienhard und Gertrud betitelt (Pestalozzi 1831,
4, 81). N. besaß zwar eine Ausgabe von Pestalozzis Roman und scheint sie auch
gelesen zu haben, jedoch folgt diese einer anderen Fassung des Textes, in dem
das fragliche Kapitel noch fehlte (Pestalozzi o. J., vgl. NPB 435).
52, 24-26 Der moderne Mensch stellt, biologisch, einen Widerspruch der
Werthe dar, er sitzt zwischen zwei Stühlen, er sagt in Einem Athem Ja und
Nein.] Vgl. NK KSA 6, 143, 15 f.
52, 28-35 [Anmerkung] Über den Gegensatz „vornehme Moral" und „christli-
che Moral" unterrichtete zuerst meine „Genealogie der Moral": es giebt viel-
leicht keine entscheidendere Wendung in der Geschichte der religiösen und morali-
schen Erkenntniss. Dies Buch, mein Prüfstein für Das, was zu mir gehört, hat das
Glück, nur den höchstgesinnten und strengsten Geistern zugänglich zu sein: dem
Reste fehlen die Ohren dafür. Man muss seine Leidenschaft in Dingen haben, wo
sie heute Niemand hat...] Siehe besonders GM I 10-11, KSA 5, 270-277.
53, 1 Wagner „unter uns wohnte"?] In Johannes 1, 14 heißt es: „Und das
Wort ward Fleisch, und wohnete unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit"
(Die Bibel: Neues Testament 1818, 108). Diese ironische Parallelisierung von
Wagner mit dem göttlichen, nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums in
Jesus Christus Fleisch gewordenen Logos spielt auf die messianischen Hoffnun-
gen an, welche die Wagnerianer (früher auch N. selbst) mit ihrem Meister ver-
banden. Besonders anschaulich macht dieses Milieu und diese Hoffnungen
Eduard Hanslick in seinem polemischen Aufsatz „Wagner-Kultus" (Hanslick
1884, 338-349).