Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0245
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
226 Götzen-Dämmerung

was man eigentlich weiß. Daß ich von Grund aus bisher Nihilist gewesen bin,
das habe ich mir erst seit Kurzem eingestanden: die Energie, der Radikalism
[KSA: die Nonchalance], mit dem ich als Nihilist vorwärts gieng, täuschte mich
über diese Grundthatsache. Wenn man einem Ziele entgegengeht, so scheint
es unmöglich, daß ,die Ziellosigkeit an sich' unser Glaubensgrundsatz ist." In
der endgültigen Fassung des Spruchs wird nicht nur das Subjekt des Mutes,
sondern auch der konkrete Gegenstandsbezug, nämlich der Nihilismus ausge-
klammert, so dass sich die Anwendbarkeit des Spruches universalisiert.

3
59, 9 f. Um allein zu leben, muss man ein Thier oder ein Gott sein — sagt
Aristoteles.] Vgl. NL 1888, KSA 13, 15[118], 478, 1-3 (KGW IX 7, W II 3, 140, 50-
52). Das Zitat stammt aus Aristoteles: Politik I 2, 1253a 27-29: „Wer aber nicht
in Gemeinschaft leben kann oder in seiner Autarkie ihrer nicht bedarf, der ist
kein Teil des Staates, sondern ein wildes Tier oder Gott." N. wird die Stelle aber
nicht im Original, sondern in Alfred Fouillees La science sociale contemporaine
gefunden haben, wo in N.s Exemplar auch eine Lesespur die Lektüre dokumen-
tiert: „Liberte, droit, societe, sont donc les trois moments d'une seule et meme
evolution; une liberte isolee n'a pas de sens et ne peut subsister; pour vivre
seul, dit Aristote, il faut etre une brüte ou un dieu; l'isolement de la brüte
n'est pas liberte, et l'isolement d'un pretendu dieu ne le serait pas davantage."
(Fouillee 1880, 390, Nachweis bei Röllin / Trenkle 2008a, 313. „Freiheit, Recht,
Gesellschaft, dies sind folglich die drei Momente einer und derselben Entwick-
lung; eine isolierte Freiheit ist sinnlos und kann nicht fortbestehen; um allein
zu leben, sagt Aristoteles, muss man ein wildes Tier oder ein Gott sein; die
Isolation des wilden Tieres ist keine Freiheit und die Isolation eines angebli-
chen Gottes genau so wenig.") Zu einer weiteren Anleihe von Fouillee 1880,
390 siehe NK 133, 28-30.
Fritz Koegel adaptiert den Spruch 59, 9 f. übrigens in seiner 1892 erschiene-
nen, dichterischen N.-Hommage Vox humana: „Die Einsamkeit genießt auf
menschliche Art nur recht wer von der Herde kommt. Wer stets einsam war ist
ein Tier oder ein Gott." ([Koegel] 1892, 3).
59, 10 f. Fehlt der dritte Fall: man muss Beides sein — Philosoph...] Vgl. NL
1888, KSA 13, 15[118], 478, 1-3: ,„Um allein zu leben, muß man ein Tier oder ein
Gott sein' — sagt Aristoteles. Beweisen wir, daß man Beides sein muß..."
Was für eine zweifelhafte Art Tier demgegenüber der Philosoph (im herkömmli-
chen Sinn gewesen) ist, verrät GD Sprüche und Pfeile 11. Als einschlägiger Gott
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften