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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0307
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288 Götzen-Dämmerung

Hauptpunkten einfach bloß gut belehrt durch einen Brahmanen." (KSB 8,
Nr. 1041, S. 325, Z. 49-54) Obwohl die gängigen zeitgenössischen (Fremd-)Wör-
terbücher das Wort „Ägypticismus" nicht führen, kommt es in der wissen-
schaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts zur Bezeichnung eines aus dem
Ägyptischen in eine andere Sprache eingedrungenen Wortes oder der kulturel-
len Eigenart Ägyptens (vgl. z. B. Heffter 1848, Anhang, 35) gelegentlich vor.
Zur Interpretation des Ägyptizismus vgl. z. B. Stack 1983, 51 u. Müller-Lauter
1999a, 199.
74, 6 f. enthistorisiren] Das Wort kommt in N.s Werken nur hier vor, obwohl es
das kritikwürdige Verfahren der Philosophie seit der Antike höchst anschaulich
macht. Der Begriff der Enthistorisierung, der sich weder in den zeitgenössi-
schen noch in den modernen Wörterbüchern findet, ist für die Zeit vor N. nur
selten zu belegen, aber doch kein Neologismus (vgl. etwa „enthistorisirt" im
Sinne von „aus dem historischen Kontext genommen" in den Historisch-politi-
schen Blättern 1862, 662).
74, 7 sub specie aeterni] Die Wendung „sub specie aeterni" — unter dem
Gesichtspunkt des Ewigen — kommt bei N. gelegentlich in unterschiedlichen
Kontexten vor (GT 23, KSA 1, 147, 33: Verwandlung des Erlebten ins Mythische;
FW 262, KSA 3, 518, 2: Lebens- und Sterbepraxis; AC 58, KSA 6, 246, 5: das für
die Ewigkeit konzipierte Römische Reich). Es klingt darin Baruch de Spinoza
an (vgl. z. B. Ueberweg 1866b, 3, 235 und Fischer 1865, 2, 520), der die Welt
unter Ewigkeitsperspektive betrachtet wissen wollte („sub specie aeternita-
tis" — Baruch de Spinoza: Ethica ordine geometrico demonstrata V, prop. 29).
In der zeitgenössischen wissenschaftlichen Literatur ist die Wendung sehr
populär.
74, 7-9 wenn sie aus ihr eine Mumie machen. Alles, was Philosophen seit Jahr-
tausenden gehandhabt haben, waren Begriffs-Mumien] Das ist die Pointe des
Ausdrucks „Ägypticismus", vgl. NK 74, 4 f. Die Mumien- und Mumifizierungs-
metapher ist bei N. schon älter, vgl. z. B. Za III Vom Geist der Schwere, KSA 4,
244, 7-9 und UB II HL 3, KSA 1, 268, 4-6.
74, 11 f. sie werden Allem lebensgefährlich, wenn sie anbeten] Wenn die Philo-
sophen durch ihr Tun dem Leben gefährlich werden können — indem sie eben
die Begriffe anbeten und damit die Wirklichkeit verneinen —, bedeutet das
trotz aller Kritik, dass N. den Philosophen eine immense Macht, ein enormes
Welt(bild)gestaltungspotential attestiert. Diese Macht der Philosophen gedenkt
N. zu usurpieren.
74, 12-16 Der Tod, der Wandel, das Alter ebensogut als Zeugung und Wachs-
thum sind für sie Einwände, — Widerlegungen sogar. Was ist, wird nicht; was
 
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