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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0308
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Stellenkommentar GD Vernunft, KSA 6, S. 74 289

wird, ist nicht... Nun glauben sie Alle, mit Verzweiflung sogar, an's Seiende.]
Diese Passage ist wie das Folgende beeinflusst von Victor Brochards Les scepti-
ques grecs, einem Werk, das N. zu dieser Zeit studiert hat (vgl. EH Warum ich
so klug bin 3, KSA 6, 284, 27 f.). Brochard stellt zu Beginn seines Buches die
Eleaten, insbesondere Parmenides, als Wegbereiter der späteren Skeptiker hin,
indem sie dem Zeugnis der Sinne und damit allem Urteil über die Welt zu
misstrauen lehrten. In 74, 12-16 klingt Brochard 1887, 5 an: „La raison demon-
tre que l'etre est un, immobile, eternel; les sens nous font voir partout la mul-
tiplicite, le changement, la naissance et la mort; ils ne meritent donc aucune
creance." („Die Vernunft beweist, dass das Sein eins ist, unbeweglich, ewig;
die Sinne lassen uns überall die Vielheit, den Wandel, die Geburt und den Tod
sehen; sie verdienen daher keinerlei Glauben").
74, 17-22 „Es muss ein Schein, eine Betrügerei dabei sein, dass wir das Seiende
nicht wahrnehmen: wo steckt der Betrüger?" — „Wir haben ihn, schreien sie
glückselig, die Sinnlichkeit ist's! Diese Sinne, die auch sonst so unmora-
lisch sind, sie betrügen uns über die wahre Welt."] Vgl. Brochard 1887, 5:
„Avec eux [sc. Parmenides und Zenon von Elea] apparait cette Opposition du
sensible et de l'intelligible qui devait plus tard tenir une si grande place dans
les argumentations sceptiques. La connaissance sensible est declaree insuffi-
sante et trompeuse. [...] On sait d'ailleurs comment Parmenide opposait la
verite ([...]) ä l'apparence ([...]): les sceptiques retiendront cette distinction,
pour s'en tenir, il est vrai, ä l'inverse de Parmenide, ä la seule apparence.
Quant ä Zenon, tous ses efforts tendaient ä montrer que dans les apparences
sensibles il n'y a que contradiction et absurdite." („Mit ihnen [sc. Parmenides
und Zenon von Elea] erscheint erstmals der Gegensatz zwischen dem Sinnli-
chen und dem Intelligiblen, der später einen so wichtigen Platz in den skepti-
schen Argumentationen erhalten sollte. Das sinnliche Erkennen wird als unge-
nügend und trügerisch bezeichnet. [...] Außerdem weiß man, wie Parmenides
die Wahrheit ([...]) dem Schein ([...]) gegenüberstellte: Die Skeptiker werden
diese Unterscheidung beibehalten, um sich, es ist wahr, an das Gegenteil von
Parmenides, an den Schein allein zu halten. Was Zenon betrifft: Alle seine
Bemühungen sollten zeigen, dass es in den sinnlichen Erscheinungen nur
Widerspruch und Absurdität gibt.") Ebd., 7 f.: „Une consequence necessaire de
ces vues sur l'etre, toujours anterieures, chez les philosophes de ce temps, ä
toute theorie de /8/ la connaissance, etait que les sens ne nous font pas con-
naitre la verite. Ces principes immuables, qu'on les appelle elements, atomes
ou homeomeries, ne sauraient tomber sous les sens: la raison seule les decou-
vre; les sens sont donc trompeurs. Aussi tous les nouveaux ioniens sont-ils
d'accord sur ce point avec Parmenide et Heraclite: ,Refuse, dit Empedocle,
toute creance aux sens: que la pensee seule te fasse connaitre la realite.' —
 
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