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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0309
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290 Götzen-Dämmerung

,Chacun se flatte de connaitre l'univers: mais ni les yeux, ni les oreilles, ni
l'intelligence d'un homme ne peuvent le comprendre.'" („Dass die Sinne nicht
in der Lage seien, uns die Wahrheit kenntlich zu machen, war eine notwendige
Folgerung aus jener aller Erkenntnistheorie immer vorangehenden Sicht auf
das Sein bei den Philosophen dieser Zeit. Diese unveränderlichen Prinzipien,
ob sie nun Elemente, Atome oder Homoiomerien genannt werden, können
nicht mit den Sinnen erfasst werden: Einzig die Vernunft kann sie entdecken;
die Sinne sind daher trügerisch. Auch alle neuen Ionier stimmen in diesem
Punkt mit Parmenides und Heraklit überein: ,Lehne jeden Glauben an die
Sinne ab', sagt Empedokles, ,einzig das Denken soll dir die Wirklichkeit erklä-
ren.' — ,Jeder brüstet sich, das Universum zu erkennen: Doch weder die Augen
und Ohren noch die Intelligenz des Menschen können es verstehen.'") Ähnlich
äußert sich Brochard 1887, 24 f. zur Eleaten-Rezeption bei Euklid. Vgl. NK 78,
5-11. Die Frage, ob das sinnlich Wahrgenommene nur ein Betrug ist und es
dahinter einen „Betrüger" als Verursacher gibt, diskutiert z. B. auch Descartes
in den Meditationes de prima philosophia I, wo er die Möglichkeit eines genius
malignus, eines täuschenden Geistes bespricht.
75, 1 f. Neinsagen zu Allem, was den Sinnen Glauben schenkt, zum ganzen Rest
der Menschheit: das ist Alles „Volk".] Vgl. Brochard 1887, 7: „,Les yeux et les
oreilles', dit Heraclite, ,sont de mauvais temoins pour ceux qui ont des ämes
barbares'". („,Augen und Ohren', sagt Heraklit, ,sind schlechte Zeugen derer,
die eine barbarische Seele haben'".) Die Stelle steht unmittelbar vor der Pas-
sage, die N. in 75, 10-14 verwertet.
75, 3 f. Mumie sein, den Monotono-Theismus durch eine Todtengräber-Mimik
darstellen!] Vgl. NK 74, 7-9. Die Mumifizierungsmetaphorik kommt auch in N.s
religionskritischen Lektüren vor: „On a appele irreverencieusement le catholi-
cisme ,un cadavre embaume ä la perfection', une momie chretienne admirable-
ment conservee sous les chasubles dorees et les surplis qui l'enveloppent"
(Guyau 1887, 144. „Den Katholizismus hat man respektlos ,einen perfekt einbal-
samierten Kadaver' genannt, eine christliche Mumie, anbetungswürdig konser-
viert unter der goldenen Priesterkutte und dem Chorhemd, die sie einhüllen").
75, 3 Monotono-Theismus] Vgl. NK KSA 6, 185, 26.

2
75, 10-14 Ich nehme, mit hoher Ehrerbietung, den Namen Heraklit's bei
Seite. Wenn das andre Philosophen-Volk das Zeugniss der Sinne verwarf, weil
 
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