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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0354
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Stellenkommentar GD Irrthümer, KSA 6, S. 90 335

Handelns; er unterscheidet sich von dem [...] unwillkürlichen Entladen der Ener-
gie dadurch, dass er auf ein bestimmtes, dem Individuum oder der Gattung
nützliches Ziel gerichtet ist." (Höffding 1887, 112. Von N. Unterstrichenes kursi-
viert).
Eine erschöpfende Kritik an einem gegen die Vernunft ausgespielten In-
stinktbegriff hätte N. bereits in John Stuart Mills The Subjection of Women, die
er in einer Übersetzung von Jenny Hirsch aus dem Jahr 1872 besaß (NPB 390,
heute verloren), finden können: „It is one of the characteristic prejudices of
the reaction of the nineteenth century against the eighteenth, to accord to the
unreasoning elements in human nature the infallibility which the eighteenth
century is supposed to have ascribed to the reasoning elements. For the apo-
theosis of Reason we have substituted that of Instinct; and we call everything
instinct which we find in ourselves and for which we cannot trace any rational
foundation. This idolatry, infinitely more degrading than the other, and the
most pernicious of the false worships of the present day, of all of which it is
the main support, will probably hold its ground until it gives way before a
sound psychology laying bare the real root of much that is bowed down to as
the intention of Nature and ordinance of God." (Mill 1869b, 6).
Das Thema Instinkt beim späten N. beleuchtet auch Vinzens 1999. Der
Ausdruck „Instinkt" erfreute sich zu N.s Zeit besonders in antisemitischen Dis-
kursen einiger Beliebtheit, vgl. Cobet 1973, 99-101 u. ö.
90, 6 Instinkt-Entartung] „Entartung" und aus diesem Wortfeld Abgeleitetes
taucht bei N. häufig auf; große Popularität erlangt der Ausdruck aber erst
durch Max Nordaus Buch Entartung (1892-1893), das übrigens ein sehr kriti-
sches N.-Kapitel enthält.
90, 8-11 Die Mühsal ist ein Einwand, der Gott ist typisch vom Helden unter-
schieden (in meiner Sprache: die leichten Füsse das erste Attribut der Gött-
lichkeit).] Die Leichtfüßigkeit wird in N.s Spätwerk als ästhetische Maxime in
Anspruch genommen, vgl. WA 1, KSA 6, 13, 24 f. Der Gott der leichten Füße ist
Dionysos, der Gott des Tanzes — und er steht gegen den christlichen Gott, der
alle „Mühsal" auf sich nimmt, den Gekreuzigten. Siehe auch EH Warum ich so
klug bin 2, KSA 6, 282, 14-16.

3
In JGB 21 kombiniert N. die Kritik an den Begriffen von Ursache und Wirkung
mit dem „Unbegriff" (KSA 5, 35, 26) vom freien Willen — ein Thema, das dann
in GD Die vier grossen Irrthümer 7 vertieft wird. Unter dem Titel „Falscher
 
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