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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0368
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Stellenkommentar GD Irrthümer, KSA 6, S. 93-94 349

der Cultur der Renaissance von den „hysterischen Träumen der nordischen
Hexen" (Burckhardt 1930a, 5, 387).
Das Interesse an der Hysterie ist epochentypisch; Hysterie ist in gewisser
Weise ein Konstrukt des späten 19. Jahrhunderts. Unter „Hysterie" wurden
diverse psychische Krankheitsbilder, für die sich keine physischen Ursachen
ausmachen ließen, gefasst und namentlich bei Frauen sehr häufig diagnosti-
ziert. Insbesondere die Schule von Jean-Martin Charcot an der Salpetriere insti-
tutionalisierte zu N.s Zeit die Hysterieforschung. Vgl. NK 117, 30-32 u. NK KSA
6, 22, 26-30; zur religiösen Hysterie bei N. Gasser 1997, 426-428.
94, 7-10 Dieselben sind bedingt durch Handlungen, die nicht zu billigen sind
(das Gefühl der „Sünde", der „Sündhaftigkeit" einem physiologischen Missbeha-
gen untergeschoben — man findet immer Gründe, mit sich unzufrieden zu sein).]
Vgl. NK KSA 6, 228, 8-11.
94, 12-18 in impudenter Form von Schopenhauer zu einem Satze verallgemei-
nert, in dem die Moral als Das erscheint, was sie ist, als eigentliche Giftmischerin
und Verleumderin des Lebens: „jeder grosse Schmerz, sei er leiblich, sei er geis-
tig, sagt aus, was wir verdienen; denn er könnte nicht an uns kommen, wenn wir
ihn nicht verdienten." Welt als Wille und Vorstellung, 2, 666] Schopenhauer: Die
Welt als Wille und Vorstellung (Bd. 2, Buch 4, Kapitel 46) handelt „[v]on der
Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens". Der von N. leicht abgewandelte Pas-
sus lautet im Zusammenhang: „Der Mythos vom Sündenfall (obwohl wahr-
scheinlich, wie das ganze Judenthum, dem Zend-Avesta entlehnt: Bun-
Dehesch, 15) ist das Einzige im A. T. [sc. Alten Testament], dem ich eine meta-
physische, wenn gleich nur allegorische Wahrheit zugestehn kann; ja, er ist es
allein, was mich mit dem A. T. aussöhnt [Zeile von N. mit „!" markiert]. Nichts
Anderm nämlich sieht unser Daseyn so ähnlich, wie der Folge eines Fehltritts
und eines strafbaren Gelüstens. Das neutestamentliche Christenthum, dessen
ethischer Geist der [sic] des Brahmanismus und Buddhaismus, daher dem übri-
gens optimistischen des Alten Testaments sehr fremd ist, hat auch, höchst
weise, gleich an jenen Mythos angeknüpft: ja, ohne diesen hätte es im Juden-
thum gar keinen Anhaltspunkt gefunden. — Will man den Grad von Schuld
[Zeile von N. mit „!" markiert] mit dem unser Daseyn selbst behaftet ist, ermes-
sen; so blicke man auf das Leiden, welches mit demselben verknüpft ist. Jeder
große Schmerz, sei er leiblich oder geistig, sagt aus, was wir verdienen: denn er
könnte nicht an uns kommen, wenn wir ihn nicht verdienten." (Schopenhauer
1873-1874, 3, 666. Von N. Unterstrichenes hier kursiviert; von „Will" bis „ver-
dienten" von N. mit Randstrich und „NB" markiert).
94, 21 Nothstände] Vgl. NK KSA 6, 368, 16-22.
 
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