362 Götzen-Dämmerung
with intelligence nor ruth, but entirely through the routine of various
sequences, commonly called ,laws', established or necessitated we know not
how." Vgl. NK 100, 2 f.; NK KSA 6, 170, 18-22 sowie Haase 1989, 646 f.
GD Die „Verbesserer" der Menschheit macht klar, dass der Züchtungsbegriff
bei N. zumindest hier biologisch verstanden werden muss und nicht in einem
pädagogischen Sinn als Variante zu „Züchtigung" oder „Erziehung". Dass diese
Züchtung sich mit biopolitischen Zwangsmaßnahmen vollzieht, macht insbeson-
dere GD Die „Verbesserer" der Menschheit 3, KSA 6, 100 f. deutlich, wo nicht
etwa auf das ideenpolitische Zuchtmittel der (für den Hinduismus ja so wesentli-
chen) Wiedergeburtslehre abgehoben wird, sondern auf die Brachialität von
Nahrungsgeboten und anderen Maßnahmen der „Sanitäts-Polizei" (101, 4). Zur
weiten Verbreitung der Raubtiermetapher zur Charakterisierung des Menschen
im französischen Schrifttum der Zeit, namentlich bei Hippolyte Taine, vgl. Cam-
pioni 2009a, 202-205. Auch bei Spir 1879, 103 ist zu lesen: „Am Anfang war
eben der Mensch ein blosses Raubthier, welches gleich anderen Thieren ledig-
lich durch seine Naturtriebe bewegt und regiert wurde und von dem Bewusst-
sein einer höheren Norm keine Spur besass. [...] Mord und Raub und die Verthei-
digung gegen Mörder und Räuber waren also seine täglichen Thaten und die
Bedingungen seiner Existenz. Unter solchen Umständen musste natürlich die
überlegene Stärke, List, Wildheit und Gewandtheit im Kampfe zu den geschätz-
testen Eigenschaften der Menschen gehören". Spirs Beispiel für ein solches
Raubtier aus der jüngsten Vergangenheit ist Napoleon (ebd., 104).
99, 5 f. Bestie Mensch] Die Wendung „Bestie Mensch" kommt in der zeitgenös-
sischen Literatur bei der Charakterisierung von Thomas Hobbes' Mensch im
Naturzustand vor, so etwa bei Mayr 1877, 61. Vgl. auch Hellwald 1877a, 2, 408:
„Alle Civilisation der Welt vermag die Bestie im Menschen nicht zu ersticken."
In N.s Werken findet man sie erstmals in FW 327, KSA 3, 555, 7, sodann in GM
II 22, KSA 5, 332, 33-333, 2. Zur Bestie bei N. siehe NWB 1, 289-293.
99, 17-32 Im frühen Mittelalter, wo in der That die Kirche vor Allem eine Mena-
gerie war, machte man allerwärts auf die schönsten Exemplare der „blonden Bes-
tie" Jagd, — man „verbesserte" zum Beispiel die vornehmen Germanen. Aber wie
sah hinterdrein ein solcher „verbesserter", in's Kloster verführter Germane aus?
Wie eine Caricatur des Menschen, wie eine Missgeburt: er war zum „Sünder"
geworden, er stak im Käfig, man hatte ihn zwischen lauter schreckliche Begriffe
eingesperrt... Da lag er nun, krank, kümmerlich, gegen sich selbst böswillig; voller
Hass gegen die Antriebe zum Leben, voller Verdacht gegen Alles, was noch stark
und glücklich war. Kurz, ein „Christ"... Physiologisch geredet: im Kampf mit der
Bestie kann Krankmachen das einzige Mittel sein, sie schwach zu machen. Das
verstand die Kirche: sie verdarb den Menschen, sie schwächte ihn, — aber sie
with intelligence nor ruth, but entirely through the routine of various
sequences, commonly called ,laws', established or necessitated we know not
how." Vgl. NK 100, 2 f.; NK KSA 6, 170, 18-22 sowie Haase 1989, 646 f.
GD Die „Verbesserer" der Menschheit macht klar, dass der Züchtungsbegriff
bei N. zumindest hier biologisch verstanden werden muss und nicht in einem
pädagogischen Sinn als Variante zu „Züchtigung" oder „Erziehung". Dass diese
Züchtung sich mit biopolitischen Zwangsmaßnahmen vollzieht, macht insbeson-
dere GD Die „Verbesserer" der Menschheit 3, KSA 6, 100 f. deutlich, wo nicht
etwa auf das ideenpolitische Zuchtmittel der (für den Hinduismus ja so wesentli-
chen) Wiedergeburtslehre abgehoben wird, sondern auf die Brachialität von
Nahrungsgeboten und anderen Maßnahmen der „Sanitäts-Polizei" (101, 4). Zur
weiten Verbreitung der Raubtiermetapher zur Charakterisierung des Menschen
im französischen Schrifttum der Zeit, namentlich bei Hippolyte Taine, vgl. Cam-
pioni 2009a, 202-205. Auch bei Spir 1879, 103 ist zu lesen: „Am Anfang war
eben der Mensch ein blosses Raubthier, welches gleich anderen Thieren ledig-
lich durch seine Naturtriebe bewegt und regiert wurde und von dem Bewusst-
sein einer höheren Norm keine Spur besass. [...] Mord und Raub und die Verthei-
digung gegen Mörder und Räuber waren also seine täglichen Thaten und die
Bedingungen seiner Existenz. Unter solchen Umständen musste natürlich die
überlegene Stärke, List, Wildheit und Gewandtheit im Kampfe zu den geschätz-
testen Eigenschaften der Menschen gehören". Spirs Beispiel für ein solches
Raubtier aus der jüngsten Vergangenheit ist Napoleon (ebd., 104).
99, 5 f. Bestie Mensch] Die Wendung „Bestie Mensch" kommt in der zeitgenös-
sischen Literatur bei der Charakterisierung von Thomas Hobbes' Mensch im
Naturzustand vor, so etwa bei Mayr 1877, 61. Vgl. auch Hellwald 1877a, 2, 408:
„Alle Civilisation der Welt vermag die Bestie im Menschen nicht zu ersticken."
In N.s Werken findet man sie erstmals in FW 327, KSA 3, 555, 7, sodann in GM
II 22, KSA 5, 332, 33-333, 2. Zur Bestie bei N. siehe NWB 1, 289-293.
99, 17-32 Im frühen Mittelalter, wo in der That die Kirche vor Allem eine Mena-
gerie war, machte man allerwärts auf die schönsten Exemplare der „blonden Bes-
tie" Jagd, — man „verbesserte" zum Beispiel die vornehmen Germanen. Aber wie
sah hinterdrein ein solcher „verbesserter", in's Kloster verführter Germane aus?
Wie eine Caricatur des Menschen, wie eine Missgeburt: er war zum „Sünder"
geworden, er stak im Käfig, man hatte ihn zwischen lauter schreckliche Begriffe
eingesperrt... Da lag er nun, krank, kümmerlich, gegen sich selbst böswillig; voller
Hass gegen die Antriebe zum Leben, voller Verdacht gegen Alles, was noch stark
und glücklich war. Kurz, ein „Christ"... Physiologisch geredet: im Kampf mit der
Bestie kann Krankmachen das einzige Mittel sein, sie schwach zu machen. Das
verstand die Kirche: sie verdarb den Menschen, sie schwächte ihn, — aber sie