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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0386
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Stellenkommentar GD Verbesserer, KSA 6, S. 100 367

moderne wissenschaftliche Schreibweise) die aus illegitimen Verbindungen
zwischen den vier Hauptkasten — insbesondere zwischen einem Sudra-Mann
und einer Brahmanin — hervorgegangenen Angehörigen einer als makelbehaf-
tet empfundenen Mischkaste. Jacolliot sollte dann behaupten, die semitischen
Völker, insbesondere die Juden seien aus den altindischen Tschandala hervor-
gegangen, vgl. NK 101, 28-102, 5. August Strindberg macht sich N.s Begriff von
Tschandala zu eigen und betitelt bereits 1889 einen Roman dementsprechend.
Vgl. zu N.s Begriffsverwendung in AC NK KSA 6, 198, 18 f.
100, 22-101, 4 Das dritte Edikt zum Beispiel (Avadana-Sastra I), das „von den
unreinen Gemüsen", ordnet an, dass die einzige Nahrung, die den Tschandala
erlaubt ist, Knoblauch und Zwiebeln sein sollen, in Anbetracht, dass die heilige
Schrift verbietet, ihnen Korn oder Früchte, die Körner tragen, oder Wasser oder
Feuer zu geben. Dasselbe Edikt setzt fest, dass das Wasser, welches sie nöthig
haben, weder aus den Flüssen, noch aus den Quellen, noch aus den Teichen
genommen werden dürfe, sondern nur aus den Zugängen zu Sümpfen und aus
Löchern, welche durch die Fusstapfen der Thiere entstanden sind. Insgleichen
wird ihnen verboten, ihre Wäsche zu waschen und sich selbst zu waschen,
da das Wasser, das ihnen aus Gnade zugestanden wird, nur benutzt werden darf,
den Durst zu löschen. Endlich ein Verbot an die Sudra-Frauen, den Tschandala-
Frauen bei der Geburt beizustehn, insgleichen noch eins für die letzteren,
einander dabei beizustehn...] Vgl. Jacolliot 1876, 105 f. Etter 1987, 345
bemerkt: „Ein Avadäna Sästra, von dem man bei der Lektüre von Nietzsches
Text annehmen möchte, daß es ein Bestandteil des Buches Manu sei, existiert
weder dort, noch ist es als selbständiges Werk in irgendeinem Handbuch zur
indischen Literatur oder in einem Wörterbuch verzeichnet." Nicht einmal Jacol-
liot behauptet dies; er zitiert daraus nur in einem historischen Aufriss (Jacolliot
1876, 98-120), der folgendes Geschichtsbild propagiert: Das Manu-Gesetzbuch
habe bereits 13 300 (!) Jahre vor Christus bestanden (vgl. zur korrekten Datie-
rung oben NK ÜK GD Die „Verbesserer der Menschheit"). Man dürfe, so Jacol-
liot, annehmen, dass die durch illegitime Verbindungen aus den Kasten Ausge-
stoßenen, die Tschandalas sich zu einer eigenen Nation entwickelt hätten,
gegen die jene höchst restriktiven Edikte, die N. in GD referiert, um 8000 vor
Christus erlassen worden seien. Dies habe zu einer Dezimierung der Tschand-
alas geführt, bis sie durch die Kämpfe zwischen Buddhisten und Brahmanen
um 4000 (!) vor Christus zur Auswanderung gezwungen worden seien. Spätes-
tens hier hätte, so Etter, N. stutzig werden müssen, war ihm doch bekannt,
dass Gotama Buddha erst 563 vor Christus geboren wurde, weswegen Kämpfe
zwischen Buddhisten und Brahmanen 3500 Jahre früher doch eher unwahr-
scheinlich sind. Nach Jacolliot verkörpern die Chaldäer, Assyrer, Babylonier,
Syrer, Phönizier, Araber und Juden, kurz die „Semiten", nichts anderes als die
 
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