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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0388
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Stellenkommentar GD Verbesserer, KSA 6, S. 100-101 369

rechte Hand ist die reine Hand, die den Opfergaben, den Göttern und den
Oblationen vorbehalten ist, die nur die Angehörigen der anerkannten Kasten
zu geben das Recht haben.") Auch dieser Text ist gefälscht: „Es ist sehr
unwahrscheinlich, daß eine derartige Vorschrift je im Mänava- oder in irgend-
einem anderen der traditionellen Dharmasästras gestanden hat. Dies nicht
etwa, weil die Schrift damals unbekannt war, wohl aber weil sie in Geschäfts-
und Rechtsdingen zwar durchaus Verwendung fand, für die Überlieferung der
heiligen Texte dagegen nicht üblich war, da diese traditionellerweise nur
mündlich weitergegeben wurden." (Etter 1987, 348).

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101, 22 arische Humanität] Für Jacolliots Konstruktion der indischen Früh-
zeit sind die sogenannten Arier die entscheidenden Figuren; er verwendet
einen bereits biologistischen Rassenbegriff (vgl. NK 100, 2 f.) und projiziert ihn
in das von ihm bearbeitete Manu-Gesetzbuch hinein. N. seinerseits adaptiert
in GD diesen stark politisch, sprich antisemitisch kontaminierten Rassenbe-
griff, auch wenn er sich etwa in seinem Brief vom 29. 03. 1887 an den antisemi-
tischen Agitator Theodor Fritsch scharf von den Machenschaften des rassisti-
schen Antisemitismus abgegrenzt hat: „Glauben Sie mir: dieses abscheuliche
Mitredenwollen noioser Dilettanten über den Werth von Menschen und Ras-
sen, diese Unterwerfung unter ,Autoritäten', welche von jedem besonneneren
Geiste mit kalter Verachtung abgelehnt werden (z. B. E. Dühring, R. Wagner,
Ebrard, Wahrmund, P. de Lagarde — wer von ihnen ist in Fragen der Moral
und Historie der unberechtigtste, ungerechteste?), diese beständigen absurden
Fälschungen und Zurechtmachungen der vagen Begriffe ,germanisch', ,semi-
tisch', ,arisch', ,christlich', ,deutsch' — das Alles könnte mich auf die Dauer
ernsthaft erzürnen und aus dem ironischen Wohlwollen herausbringen, mit
dem ich bisher den tugendhaften Velleitäten und Pharisäismen der jetzigen
Deutschen zugesehen habe. / — Und zuletzt, was glauben Sie, das ich emp-
finde, wenn der Name Zarathustra von Antisemiten in den Mund genom-
men wird?..." (KSB 8, Nr. 823, S. 51, Z. 10-25).
101, 24-27 Andrerseits wird klar, in welchem Volk sich der Hass, der
Tschandala-Hass gegen diese „Humanität" verewigt hat, wo er Religion, wo er
Genie geworden ist...] Gemeint sind, wie bei Jacolliot, die Juden. Es ist schwer,
an solchen Stellen die Nähe von N.s Sprachgebrauch zum damaligen Antisemi-
tismus zu übersehen, vgl. Cancik 2000 u. Mittmann 2001. Allenfalls wird man
argumentieren können, der hier manifeste Antijudaismus sei nur eine logische
 
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