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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0389
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370 Götzen-Dämmerung

Folgerung aus dem von N. proklamierten Antichristentum und habe mit seiner
ansonsten ja durchaus wohlwollenden Haltung gegenüber zeitgenössischen
Juden nichts zu tun. Nicht zu übersehen sind freilich N.s antisemitische Stereo-
typen in seinen frühen Briefen und Schriften, vgl. z. B. NK KSA 1, 68, 34-69,
8.
101, 28 noch mehr das Buch Henoch] Vgl. NL 1887/88, KSA 13, ll[405], 186,
25-187, 5 (korrigiert nach KGW IX 7, W II 3, 8, 2-26): „Sous les Seleucides, les
aristocrates ayant presque tous apostasie et passe ä l'hellenisme, ces associati-
ons d'idees ne firent que se fortifier. Le livre d'Henoch contiens [sic] des male-
dictions plus violentes encore que celles de l'Evangile contre le monde, les
riches, les puissants. Le nom de ,pauvre' (ebion) etait devenu synonyme de
,saint', d',ami de Dien'." („Unter den Seleukiden, als die Aristokraten fast alle
vom Glauben abgefallen waren und zum Hellenismus übergegangen waren,
verstärkten sich diese Gedankenverbindungen noch mehr. Das Buch Henoch
enthält noch stärkere Verfluchungen als diejenigen des Evangeliums gegen die
Welt, die Reichen und die Mächtigen. Der Name des ,Armen' (Ebion) war zu
einem Synonym des ,Heiligen', des ,Freundes Gottes' geworden.") Es handelt
sich dabei um ein Exzerpt aus Renan 1863, 181 f., wo es nach „puissants" (ebd.,
181) weiter heißt: „Le luxe y est presente comme un crime. Le ,Fils de l'homme',
dans cette Apocalypse bizarre, detröne les rois, les arrache ä leur vie volup-
teuse, les precipite dans l'enfer." („Luxus wird dort dargestellt wie ein Verbre-
chen. Der ,Sohn Gottes', in dieser bizarren Apokalypse, entthront die Könige,
entreißt sie ihrem wollüstigen Leben und stürzt sie in die Hölle.") Es folgt noch
ein längeres Zitat aus Henoch mit Weherufen, bevor 181 f. der Schlusssatz von
N.s Exzerpt sich anschließt.
101, 28-102, 5 Das Christenthum, aus jüdischer Wurzel und nur verständlich
als Gewächs dieses Bodens, stellt die Gegenbewegung gegen jede Moral der
Züchtung, der Rasse, des Privilegiums dar: — es ist die antiarische Religion
par excellence: das Christenthum die Umwerthung aller arischen Werthe, der
Sieg der Tschandala-Werthe, das Evangelium den Armen, den Niedrigen gepre-
digt, der Gesammt-Aufstand alles Niedergetretenen, Elenden, Missrathenen,
Schlechtweggekommenen gegen die „Rasse", — die unsterbliche Tschandala-
Rache als Religion der Liebe...] Das ist N.s Anwendung der von Jacolliot
übernommenen Theorie, die Juden seien ursprünglich indische Tschandala
(vgl. NK 100, 17 f.), auf das dem Judentum entstammende Christentum: „nach
indisch-arischen Begriffen: das neue Testament — eine Tschandala-Reli-
gion" (NL 1888, KSA 13, 14[195], 381, 1 f. = KGW IX 8, W II 5, 17, 44). Nach AC
27, KSA 6, 198, 18 f. stellen die frühesten Christen innerhalb des Judentums
eine Gruppe der Ausgestoßenen, der Tschandala dar — das ist die Hyperboli-
 
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