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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0454
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 117 435

rausch: das höchste Gefühl der Macht ist concentriert im klassischen
Typus. Schwer reagieren: ein großes Bewußtsein: kein Gefühl von Kampf"
(KGW IX 8, W II 5, 165, 48-62, vgl. KSA 14, 425 f.).
Die von N. überarbeitete Version derselben Passage lautet: „Was bedeutet
der Gegensatz dionysisch und apollinisch, beide als Arten des Rau-
sches verstanden? Letzteres hält vor allem das Auge erregt: so daß es die
Kraft der Vision bekommt. Der Maler, der Plastiker, der Epiker sind Visionäre
par excellence. Ersteres bewegt und steigert das gesammte Affekt-System:
so daß es alle Ausdrucksmittel der Affekte entladet(,) so daß es die Kraft der
Transfiguration, Darstellens, Verwandlung, Schauspielerei und Tanzes heraus-
treibt... das Wesentliche ist die Kraft der Metamorphose: so daß der Affekt
leicht angedeutet, sofort zur Realität fortgeht... / Musik ist gleichsam nur eine
Abstraktion jenes viel volleren Ausdrucks der Affekt-Entladung... ein resi-
duum des ursprünglichen Histrionismus: man hat eine Anzahl Sinne, vor allem
den Muskelsinn still gestellt (relativ wenigstens): so daß der Mensch nicht
mehr Alles, was er fühlt, nachahmt und darstellt. Trotzdem ist Ersteres der
eigentliche dionysische Gesammtzustand: die Musik ist eine langsam erreichte
Einzelverstärkung auf Kosten anderer dionysischer Künste / Der Schauspie-
ler (dh. der Tänzer und Mimiker)(,) [...] der Musiker (und) der Lyriker sind
grundverwandt und an sich Eins: aber allmählich spezialisirt bis zum Miß-
verständniß und Widerspruch(;) der Lyriker war am längsten mit dem Musiker
geeint(:) (an sich) sind sie beide Eins. / (D)er Architekt stellt eine(n) großen
Willensakt dar, den Rausch eines großen Willens in ihrer [sic] überzeugendsten
und stolzesten Form [...]: in dem Bau soll sich die Macht, der Wille [...] zur
Macht versichtbaren. Architektur ist Beredsamkeit de(s) Willens in Raumfor-
men... / Im dionyischen Rausche ist die Geschlechtlichkeit und die Wollust:
sie fehlt meist im apollinischen. Es muß noch eine tempo-Verschiedenheit in
beiden Zuständen geben... Die extreme Ruhe gewisser Rauschemp-
findungen (strenger: die Verlangsamung des Zeit- und Raumgefühls()) spie-
gelt sich hinein in die Vision der ruhigsten Gebärden und Seelen-Acte. Der
klassische Stil (stellt) wesentlich diese Ruhe, Vereinfachung, Abkürzung, Con-
centration dar / Der Naturrausch: das höchste Gefühl der Macht ist
concentrirt im klassischen Typus. Schwer reagieren: ein großes Bewußtsein:
kein Gefühl von Kampf" (KGW IX 8, W II 5, 165).
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NL 1888, KSA 13, 14[36], 235, 24-236, 7 (korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 175,
29-42, im Folgenden ohne durchgestrichene Passagen wiedergegeben) lautet:
 
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