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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0473
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454 Götzen-Dämmerung

auf die politischen Implikationen MA I 454, KSA 2, 295) — ein Thema, das in
FW 345, KSA 3, 577-579 und — direkt „gegen Kant als Moralist" — in AC 11,
KSA 6, 177 wiederkehrt. An der Wahrhaftigkeit des Unpersönlichen melden
sich auch in Nachlassüberlegungen Zweifel an: „Das ,Unpersönliche' ist nur
das geschwächt-Persönliche" (NL 1881, KSA 9, 11[65], 466, 9 f.). NL 1888,
KSA 13, 14[27], 230, 28-231, 5 (korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 179, 31-40, im
Folgenden ohne durchgestrichene Passagen wiedergegeben) macht die Verbin-
dung zum wissenschaftlichen Objektivitätsideal deutlich und beschreibt, wie
man sich der Unpersönlichkeit aus Eigeninteresse zur Tarnung bedienen kann:
„Erstes Merkmal eines Selbsterhaltungs-Instinkts des großen Psychologen: er
sucht sich nie, er hat kein Auge, kein Interesse, keine Neugierde für sich... Der
große Egoism unseres dominirenden Willens will es so von uns, daß wir
hübsch vor uns die Augen schließen, - daß wir ,unpersönlich', (,Desinteresse',
,objektiv' erscheinen müssen... oh wi(e) sehr wir das Gegentheil davon sind!
Nur weil wir in einem excentrischen Grade Psychologen sind".
In 121, 16-23 ist die vorgebliche Unpersönlichkeit des „Menschenken-
nerls]" ein Mittel der Distanzierung und damit auch der Selbstüberhebung des
Beobachters über die Beobachteten — der Anspruch auf Unpersönlichkeit als
Ausdruck eines spezifischen Willens zur Macht. Die Pointe besteht darin, dass
hier der scheinbar unpersönliche Beobachter selbst beobachtet und seiner
geheimen Motive überführt wird — wobei dann die Rückfrage unvermeidlich
ist, wie es denn um die „Unpersönlichkeit" und die Machtinteressen des text-
verfassenden Beobachters steht. Es scheint, als wolle der Abschnitt gerade
diese Frage provozieren. In seinem Brief vom 26. 11. 1888 an Constantin Georg
Naumann nimmt N. die Unpersönlichkeit für sich selbst als Autor in Anspruch:
Der ehemalige Verleger Fritzsch habe „mir die armseligsten persönlichen
Motive für meine Schrift gegen Wagner untergeschoben, mir dem U n persön-
lichsten Menschen, den es vielleicht gegeben hat" (KSB 8, Nr. 1158, S. 490).
16
121, 25-27 Der psychologische Takt der Deutschen scheint mir durch eine
ganze Reihe von Fällen in Frage gestellt, deren Verzeichniss vorzulegen mich
meine Bescheidenheit hindert.] Vgl. AC 59, KSA 6, 248, 13 f. N. dürfte demgegen-
über Alberts Urteil, Merimees Schriftstellerei zeichne sich durch „le tact par-
fait" (Albert 1885, 2, 303, von N. unterstrichen) aus, zugestimmt haben. Was in
GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 16 folgt, sind Urteile, die nach landläufi-
gem Verständnis in den Bereich der Philosophie und der Literatur fallen; sie
als „psychologisch" auszugeben, gibt dem Abschnitt seinen Biss. Mit dem Takt
 
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