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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0479
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460 Götzen-Dämmerung

beschreibt den Aufstieg von schönen Körpern über schöne Seelen und schöne
Erkenntnisse bis zur Erkenntnis des absoluten Schönen an sich, an dem alles
andere Schöne bloß teilhat und dadurch schön ist (Symposion 211b). Spätere
Idealismen nahmen die Idee des Schönen oder das Schöne an sich bereitwillig
in ihr Theorierepertoire auf — eine Konzeption, die N. nur als „Hirngespinst"
abtun kann (WA Epilog, KSA 6, 50, 17 f.).
123, 12 f. Im Schönen setzt sich der Mensch als Maass der Vollkommenheit]
Der Sophist Protagoras von Abdera hatte die These vertreten, der Mensch sei
das Maß aller Dinge (sog. homo-mensura-Satz, überliefert bei Platon: Theaitetos
160d). Zur Rezeption des homo-mensura-Satzes in N.s Gesamtwerk siehe Brob-
jer 2005, 266-271, ferner Mann / Lustila 2011.
123, 21 f. Im Grunde spiegelt sich der Mensch in den Dingen, er hält Alles
für schön, was ihm sein Bild zurückwirft] Im Hintergrund steht Schopenhauers
ästhetisches Konzept vom Subjekt als „klare[m] Spiegel der Welt" (Die Welt als
Wille und Vorstellung II, 3. Buch Kap. 31 — Schopenhauer 1873-1874, 3, 435).
Siehe auch Schopenhauer: Parerga und Paralipomena II, § 247: „Schon dem
Schönheitssinn ist die eigene Species und in dieser wieder die eigene Rasse,
unbedenklich die schönste." (Schopenhauer 1873-1874, 6, 492).
123, 26-29 Aber Nichts, gar Nichts verbürgt uns, dass gerade der Mensch das
Modell des Schönen abgäbe. Wer weiss, wie er sich in den Augen eines höheren
Geschmacksrichters ausnimmt?] Vgl. dagegen Liebmann 1880, 579: „Indessen
[...] diese unvermeidliche Relativität des ästhetischen Urtheils nähert sich doch
einer absoluten Grenze. Unleugbar und völlig unparteiisch betrachtet, nimmt
in der Stufenleiter der uns bekannten Geschöpfe die höchste Stufe der Vollen-
dung der Mensch ein, und innerhalb der Gattung wiederum der indogermani-
sche Mensch. Darum wird es nicht als ein Ausfluß egoistischer Bornirtheit,
sondern als objectiv bestmotivirte Regel gelten dürfen, wenn man den ästheti-
schen Maaßstab der höchstentwickelten Intelligenz so handhabt, als wäre er
absolut."
123, 30-124, 3 „Oh Dionysos, Göttlicher, warum ziehst du mich an den Ohren?"
fragte Ariadne einmal bei einem jener berühmten Zwiegespräche auf Naxos ihren
philosophischen Liebhaber. „Ich finde eine Art Humor in deinen Ohren, Ariadne:
warum sind sie nicht noch länger?"] Von ihrem Geliebten Theseus auf Naxos
verlassen, wirbt — so die griechische Sage — Dionysos erfolgreich um Ariadne
(vgl. z. B. Ovid: Metamorphosen VIII 175-182 u. v. a. Ars amatoria I 525-562,
ferner auch Menzel 1870, 1, 65 zu Dionysos als Erlöser und Ariadne als Symbol
der Menschheit). N. hat das Motiv fasziniert, das er in JGB 295, KSA 5, 237-239
ausbreitet (vgl. auch DD Klage der Ariadne, KSA 6, 398-401 und NL 1887, KSA
12, 9[115], 401 f. = KGW IX 6, W II 1, 52, 8-42-53, 36-42).
 
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