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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0485
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466 Götzen-Dämmerung

der Erkenntniß" (Schopenhauer 1873-1874, 2, 390); Schopenhauer: Die Welt als
Wille und Vorstellung II 2, Kapitel 19: „Ganz speciell aber heißen Liebeshändel
Herzensangelegenheiten, affaires de coeur; weil der Geschlechtstrieb der
Brennpunkt des Willens ist und die Auswahl in Bezug auf denselben die
Hauptangelegenheit des natürlichen menschlichen Wollens ausmacht" (Scho-
penhauer 1873-1874, 3, 268, vgl. auch Die Welt als Wille und Vorstellung II
4, Kapitel 44, Schopenhauer 1873-1874, 3, 607-651). Den Zusammenhang von
Geschlechtsliebe und Schönheitssinn erörtert Schopenhauer beispielsweise in
Welt als Wille und Vorstellung II 3, Kapitel 36: „Das Selbe, was, wenn es vom
Willen unzertrennt bleibt, Geschlechtstrieb mit fein sichtender Auswahl, d.
i. Geschlechtsliebe (die bei den Griechen bekanntlich großen Verirrungen
unterworfen war), giebt; eben Dieses wird, wenn es, durch das Vorhandenseyn
eines abnorm überwiegenden Intellekts, sich vom Willen ablöst und doch thä-
tig bleibt, zum objektiven Schönheitssinn für menschliche Gestalt,
welcher nun zunächst sich zeigt als urtheilender Kunstsinn, sich aber steigern
kann, bis /480/ zur Auffindung und Darstellung der Norm aller Theile und
Proportionen" (Schopenhauer 1873-1874, 3, 479 f. — letzteres eine Anspielung
auf den vom griechischen Bildhauer Polyklet verfassten, freilich nicht überlie-
ferten Kanon, in dem die idealen Proportionen des menschlichen Körpers
beschrieben wurden).
125, 32 Wunderlicher Heiliger!] Vgl. Psalm 4, 4 in der Übersetzung Luthers:
„Erkennet doch, daß der HErr seine Heiligen wunderlich führet".
126,3-8 Glücklicherweise widerspricht ihm auch ein Philosoph. Keine geringere
Autorität als die des göttlichen Plato (— so nennt ihn Schopenhauer selbst) hält
einen andern Satz aufrecht: dass alle Schönheit zur Zeugung reize, — dass dies
gerade das proprium ihrer Wirkung sei, vom Sinnlichsten bis hinauf in's Geis-
tigste...] Den „göttlichen Platon" beschwört Schopenhauer in der Vorrede zur
ersten Auflage der Welt als Wille und Vorstellung (Schopenhauer 1873-1874, 2,
XII). Die fragliche Platon-Passage ist Symposium 206b-d. Schopenhauer attes-
tiert in der Welt als Wille und Vorstellung II 4, Kapitel 44 Platon immerhin, sich
als einer der wenigen Philosophen ernsthaft mit der Geschlechtsliebe ausein-
andergesetzt zu haben, „was er jedoch darüber vorbringt, hält sich im Gebiete
der Mythen, Fabeln und Scherze, betrifft auch größtentheils nur die Griechi-
sche Knabenliebe" (Schopenhauer 1873-1874, 3, 609).
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Thematisch in eine ähnliche Richtung weist NL 1881, KSA 9, 11[186], 514 f.,
wobei die Ablenkung des agonalen Triebes vom Staat auf die Dialektik und die
„Knabenliebe" noch als politisch besonders kluge Maßregel erscheint.
 
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