474 Götzen-Dämmerung
127, 30 Pessimisten-Optik] Das hatte auch Bourget 1920, 1, 163 dem „l'art pour
l'art"-Theoretiker Flaubert nachgesagt, vgl. die in NK 127, 2 zitierte Passage.
127, 30 f. „böser Blick"] Vgl. NK 115, 10.
127, 31-128, 7 Was theilt der tragische Künstler von sich mit? Ist
es nicht gerade der Zustand ohne Furcht vor dem Furchtbaren und Fragwürdi-
gen, das er zeigt? — Dieser Zustand selbst ist eine hohe Wünschbarkeit; wer ihn
kennt, ehrt ihn mit den höchsten Ehren. Er theilt ihn mit, er muss ihn mittheilen,
vorausgesetzt, dass er ein Künstler ist, ein Genie der Mittheilung. Die Tapferkeit
und Freiheit des Gefühls vor einem mächtigen Feinde, vor einem erhabenen
Ungemach, vor einem Problem, das Grauen erweckt — dieser siegreiche
Zustand ist es, den der tragische Künstler auswählt, den er verherrlicht.] Das
Verhältnis des tragischen Künstlers zum Begriffspaar apollinisch/dionysisch,
wie er in GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 10-11, KSA 6, 117-119 exponiert
wird, ist anhand des Gesamtkapitels „Streifzüge eines Unzeitgemässen" schwer
zu durchschauen; die Kraft des tragischen Künstlers nach GT, Apollinisches
und Dionysisches zu verbinden, tritt in GD in den Hintergrund, so dass der
tragische Künstler stellenweise sogar ganz verschwinden kann (vgl. NK 118,
24-28), oder das Dionysische das Apollinische ganz überlagert. GD Streifzüge
eines Unzeitgemässen 17, KSA 6, 122 macht das Prinzip der Stimulation deut-
lich: Die äußerste Widerwärtigkeit — „Tragödie" in einem alltagssprachlichen
Sinn! — provoziert Lebensbejahung. Als „Genie der Mittheilung" (128, 3) wird
der tragische Künstler zugleich kunstschaffend. Vgl. NK 79, 5-10. Der Begriff
der „Mittheilung" ist für Wagners Kunstauffassung beispielsweise in Oper und
Drama zentral, vgl. Wagner 1907, 4, 175 sowie NK KSA 1, 61, 7 u. 150, 2-5.
128,8 Saturnalien] Vgl. z. B. Meyer 1885-1892, 14, 340: „Saturnalien (Saturna-
lia), Fest der alten Latiner, welches der Sage nach zum Andenken an den glück-
lichen Naturzustand der Menschen in Freiheit und Gleichheit zur Zeit der
Regierung des Saturnus ([...]) eingesetzt wurde. Ohne Zweifel waren die S.
ursprünglich ein Fest der Sonnenwende und zugleich eine Art von Neujahrs-
fest. [...] Augustus setzte drei Tage (17.-19. Dez.) dafür an [...]. Während der
ganzen Festdauer waren alle öffentlichen und Privatgeschäfte eingestellt, die
Arbeit ruhte, und ungezügelte Freiheit herrschte überall. Den Gefangenen wur-
den die Ketten abgenommen, die Sklaven durften mit ihren Herrschaften zu
Tische sitzen und wurden sogar von diesen bedient." Schon in GT bemüht N.
die Saturnalien, vgl. NK KSA 1, 29, 18-25 u. 29, 29.
25
Vgl. neben NL 1888, KSA 13, 12[l]302, 208, 25 (KGW IX 7, W II 4, 78, 10) v. a.
NL 1887/88, KSA 13, 11[2], 9 (korrigiert nach KGW IX 7, W II 3, 198, 20-26,
127, 30 Pessimisten-Optik] Das hatte auch Bourget 1920, 1, 163 dem „l'art pour
l'art"-Theoretiker Flaubert nachgesagt, vgl. die in NK 127, 2 zitierte Passage.
127, 30 f. „böser Blick"] Vgl. NK 115, 10.
127, 31-128, 7 Was theilt der tragische Künstler von sich mit? Ist
es nicht gerade der Zustand ohne Furcht vor dem Furchtbaren und Fragwürdi-
gen, das er zeigt? — Dieser Zustand selbst ist eine hohe Wünschbarkeit; wer ihn
kennt, ehrt ihn mit den höchsten Ehren. Er theilt ihn mit, er muss ihn mittheilen,
vorausgesetzt, dass er ein Künstler ist, ein Genie der Mittheilung. Die Tapferkeit
und Freiheit des Gefühls vor einem mächtigen Feinde, vor einem erhabenen
Ungemach, vor einem Problem, das Grauen erweckt — dieser siegreiche
Zustand ist es, den der tragische Künstler auswählt, den er verherrlicht.] Das
Verhältnis des tragischen Künstlers zum Begriffspaar apollinisch/dionysisch,
wie er in GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 10-11, KSA 6, 117-119 exponiert
wird, ist anhand des Gesamtkapitels „Streifzüge eines Unzeitgemässen" schwer
zu durchschauen; die Kraft des tragischen Künstlers nach GT, Apollinisches
und Dionysisches zu verbinden, tritt in GD in den Hintergrund, so dass der
tragische Künstler stellenweise sogar ganz verschwinden kann (vgl. NK 118,
24-28), oder das Dionysische das Apollinische ganz überlagert. GD Streifzüge
eines Unzeitgemässen 17, KSA 6, 122 macht das Prinzip der Stimulation deut-
lich: Die äußerste Widerwärtigkeit — „Tragödie" in einem alltagssprachlichen
Sinn! — provoziert Lebensbejahung. Als „Genie der Mittheilung" (128, 3) wird
der tragische Künstler zugleich kunstschaffend. Vgl. NK 79, 5-10. Der Begriff
der „Mittheilung" ist für Wagners Kunstauffassung beispielsweise in Oper und
Drama zentral, vgl. Wagner 1907, 4, 175 sowie NK KSA 1, 61, 7 u. 150, 2-5.
128,8 Saturnalien] Vgl. z. B. Meyer 1885-1892, 14, 340: „Saturnalien (Saturna-
lia), Fest der alten Latiner, welches der Sage nach zum Andenken an den glück-
lichen Naturzustand der Menschen in Freiheit und Gleichheit zur Zeit der
Regierung des Saturnus ([...]) eingesetzt wurde. Ohne Zweifel waren die S.
ursprünglich ein Fest der Sonnenwende und zugleich eine Art von Neujahrs-
fest. [...] Augustus setzte drei Tage (17.-19. Dez.) dafür an [...]. Während der
ganzen Festdauer waren alle öffentlichen und Privatgeschäfte eingestellt, die
Arbeit ruhte, und ungezügelte Freiheit herrschte überall. Den Gefangenen wur-
den die Ketten abgenommen, die Sklaven durften mit ihren Herrschaften zu
Tische sitzen und wurden sogar von diesen bedient." Schon in GT bemüht N.
die Saturnalien, vgl. NK KSA 1, 29, 18-25 u. 29, 29.
25
Vgl. neben NL 1888, KSA 13, 12[l]302, 208, 25 (KGW IX 7, W II 4, 78, 10) v. a.
NL 1887/88, KSA 13, 11[2], 9 (korrigiert nach KGW IX 7, W II 3, 198, 20-26,