Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 129 479
empfinden; die Lust und die Pflicht von einander getrennt abschätzen lernen -
das ist die unschätzbare Aufgebung und Leistung des höheren Schulwesens.
Der Philologe war deshalb bisher der Erzieher an sich: weil seine Thätigkeit
selber das Muster einer bis zum Großartigen gehenden Objektivität (resp. Stu-
pidität) und Monotonie der Thätigkeit abgiebt [...]: unter seiner Fahne lernt der
Jüngling ,ochsen': erste Vorbedingung zur einstmaligen Tüchtigkeit machina-
le(r) Pflichterfüllung (als Staats-Beamter, Ehegatte, Bureauschreiberling [...],
Zeitungsleser und Soldat)(.) Gesetzt (e)ine solche Existenz bedarf vielleicht
einer philosophischen Rechtfertigung und Verklärung mehr noch als jede
andere: die angenehmen Gefühle müssen von irgend einer unfehlbaren In-
stanz aus überhaupt als niedrigeren Ranges abgewerthet werden; die ,Pflicht
an sich', vielleicht sogar das Pathos der Ehrfurcht in Hinsicht auf alles, was
unangenehm ist - und diese Forderung als [...] jenseits aller Nützlichkeit,
Ergötzlichkeit, Zweckmäßigkeit redend, imperativisch... Die machinale Exis-
tenzform als höchste ehrwürdigste Existenzform, sich selbst anbetend
(- Typus: Kant als Fanatiker des Formalbegriffs ,du sollst')".
129, 24 f. „Was ist die Aufgabe alles höheren Schulwesens?"] Der Frage hat
sich N. in ZB intensiv gewidmet. Die in 129, 25 f. gegebene, sozusagen offizielle
staatliche Antwort ist der seinigen genau entgegengesetzt.
129, 25 f. Aus dem Menschen eine Maschine zu machen.] In Mp XVI 4 hieß es
statt „Maschine" „Staats-Maschine" (KSA 14, 426), wodurch deutlicher wurde,
für wen der Mensch gefügig gemacht werden soll. Das etwa in Julien Offray de
La Mettries berühmtem Buch(titel) L'homme machine (1748) angezeigte, mate-
rialistische Verständnis des Menschen als Maschine wird in AC 14, KSA 6, 180,
15-21 ausdrücklich als angemessen ausgewiesen. Vgl. auch schon MA I 585,
KSA 2, 336 f.
129, 28 Begriff der Pflicht] Der Pflichtbegriff ist in Kants praktischer Philoso-
phie ebenso präsent wie im Selbstverständnis des preußischen Beamten. Vgl.
z. B. Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft A 154: „Pflicht! du erha-
bener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich
führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts dro-
hest, was natürliche Abneigung im Gemüthe erregte und schreckte, um den
Willen zu bewegen, sondern blos ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im
Gemüthe Eingang findet und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn
gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen,
wenn sie gleich ingeheim ihm entgegen wirken". Die für Kant und Friedrich II.
von Preußen entscheidende Quelle des Pflichtbegriffs ist Cicero: De officiis.
129, 28 f. Der Philolog: der lehrt ochsen.] Das Verb „ochsen", ein abwerten-
des Synonym für „etwas mit Ausdauer und Stumpfsinn lernen", kommt bei N.
empfinden; die Lust und die Pflicht von einander getrennt abschätzen lernen -
das ist die unschätzbare Aufgebung und Leistung des höheren Schulwesens.
Der Philologe war deshalb bisher der Erzieher an sich: weil seine Thätigkeit
selber das Muster einer bis zum Großartigen gehenden Objektivität (resp. Stu-
pidität) und Monotonie der Thätigkeit abgiebt [...]: unter seiner Fahne lernt der
Jüngling ,ochsen': erste Vorbedingung zur einstmaligen Tüchtigkeit machina-
le(r) Pflichterfüllung (als Staats-Beamter, Ehegatte, Bureauschreiberling [...],
Zeitungsleser und Soldat)(.) Gesetzt (e)ine solche Existenz bedarf vielleicht
einer philosophischen Rechtfertigung und Verklärung mehr noch als jede
andere: die angenehmen Gefühle müssen von irgend einer unfehlbaren In-
stanz aus überhaupt als niedrigeren Ranges abgewerthet werden; die ,Pflicht
an sich', vielleicht sogar das Pathos der Ehrfurcht in Hinsicht auf alles, was
unangenehm ist - und diese Forderung als [...] jenseits aller Nützlichkeit,
Ergötzlichkeit, Zweckmäßigkeit redend, imperativisch... Die machinale Exis-
tenzform als höchste ehrwürdigste Existenzform, sich selbst anbetend
(- Typus: Kant als Fanatiker des Formalbegriffs ,du sollst')".
129, 24 f. „Was ist die Aufgabe alles höheren Schulwesens?"] Der Frage hat
sich N. in ZB intensiv gewidmet. Die in 129, 25 f. gegebene, sozusagen offizielle
staatliche Antwort ist der seinigen genau entgegengesetzt.
129, 25 f. Aus dem Menschen eine Maschine zu machen.] In Mp XVI 4 hieß es
statt „Maschine" „Staats-Maschine" (KSA 14, 426), wodurch deutlicher wurde,
für wen der Mensch gefügig gemacht werden soll. Das etwa in Julien Offray de
La Mettries berühmtem Buch(titel) L'homme machine (1748) angezeigte, mate-
rialistische Verständnis des Menschen als Maschine wird in AC 14, KSA 6, 180,
15-21 ausdrücklich als angemessen ausgewiesen. Vgl. auch schon MA I 585,
KSA 2, 336 f.
129, 28 Begriff der Pflicht] Der Pflichtbegriff ist in Kants praktischer Philoso-
phie ebenso präsent wie im Selbstverständnis des preußischen Beamten. Vgl.
z. B. Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft A 154: „Pflicht! du erha-
bener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich
führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts dro-
hest, was natürliche Abneigung im Gemüthe erregte und schreckte, um den
Willen zu bewegen, sondern blos ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im
Gemüthe Eingang findet und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn
gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen,
wenn sie gleich ingeheim ihm entgegen wirken". Die für Kant und Friedrich II.
von Preußen entscheidende Quelle des Pflichtbegriffs ist Cicero: De officiis.
129, 28 f. Der Philolog: der lehrt ochsen.] Das Verb „ochsen", ein abwerten-
des Synonym für „etwas mit Ausdauer und Stumpfsinn lernen", kommt bei N.