Stellenkommentar GD Alten, KSA 6, S. 157-158 575
etwas Gleichgültiges anzusehen und die er mit der Tugend in die allerengste
Beziehung setzt, denn in seinen Augen besteht der Werth des besonnen pflicht-
mässigen Handelns nicht am wenigsten darin, dass Gesundheit, ausreichender
Besitz, Segen an Kindern, Genuss der Freundschaft, Achtung bei den Mitbür-
gern ohne dasselbe überhaupt nicht gedacht werden kann." (Ebd., 26 f.).
157, 25-29 Die Philosophen sind ja die decadents des Griechenthums, die
Gegenbewegung gegen den alten, den vornehmen Geschmack (— gegen den ago-
nalen Instinkt, gegen die Polis, gegen den Werth der Rasse, gegen die Autorität
des Herkommens).] Vgl. GD Das Problem des Sokrates. Die Gegenthese wird
von Schmidt 1882 vertreten, vgl. NK 157, 22-25.
4
158, 6-10 Wer den Griechen nachgeht, wie jener tiefste Kenner ihrer Cultur, der
heute lebt, wie Jakob Burckhardt in Basel, der wusste sofort, dass damit Etwas
gethan sei: Burckhardt fügte seiner „Cultur der Griechen" einen eignen Abschnitt
über das genannte Phänomen ein.] N. besaß eine Nachschrift der von Jacob
Burckhardt gehaltenen Vorlesung Griechische Culturgeschichte, angefertigt und
N. gewidmet von Louis Kelterborn (NPB 163), sowie eine in NPB nicht erhaltene
Nachschrift von Adolf Baumgartner (Burckhardt 1930b, 8, XXVIII). N. war 1872
selbst gelegentlicher, aber nicht regelmäßiger Hörer einer frühen Version dieser
mehrfach gehaltenen und überarbeiteten Vorlesung; er hat mit Burckhardt
intensiv über die fraglichen Probleme diskutiert (ebd., XX-XXV). Burckhardt ist
selbst von GT nicht unbeeindruckt geblieben; freilich im Gegensatz zu 158, 8-
10: „ein besonderes Kapitel über das Dionysische findet sich ebensowenig in
Burckhardts Kollegmanuskript wie in dem ausgearbeiteten Buche" (ebd., XXV).
Dennoch weist Felix Stähelin in der Einleitung zu Burckhardts Griechischer
Culturgeschichte im einzelnen nach, wie Überlegungen zu Dionysos aus GT in
Burckhardts Text übergegangen sind (ebd., XXV-XXVII). Der Hinweis auf das
vorgebliche Buch Burckhardts in GD hat diesem einiges Kopfzerbrechen berei-
tet. So heißt es in einem Brief Burckhardts an seinen Verleger Ernst Arthur
Seemann, 29. 11. 1889: „Die irrige Ansicht, daß ich eine Griechische Kulturge-
schichte zu veröffentlichen hätte, stammt aus einer Schrift des unglücklichen
Hrn. Prof. Dr. Nietzsche, welcher gegenwärtig in einer Irrenanstalt lebt. Er
nahm ein von mir öfter gelesenes Colleg jenes Inhalts für ein Buch." (Burck-
hardt 1980, 9, 224, vgl. Burckhardt an Seemann, 07. 12. 1894, Burckhardt 1986,
10, 194).
158, 12 Der berühmte Lobeck] Christian August Lobeck (1781-1860) galt als
führender deutscher Altphilologe.
etwas Gleichgültiges anzusehen und die er mit der Tugend in die allerengste
Beziehung setzt, denn in seinen Augen besteht der Werth des besonnen pflicht-
mässigen Handelns nicht am wenigsten darin, dass Gesundheit, ausreichender
Besitz, Segen an Kindern, Genuss der Freundschaft, Achtung bei den Mitbür-
gern ohne dasselbe überhaupt nicht gedacht werden kann." (Ebd., 26 f.).
157, 25-29 Die Philosophen sind ja die decadents des Griechenthums, die
Gegenbewegung gegen den alten, den vornehmen Geschmack (— gegen den ago-
nalen Instinkt, gegen die Polis, gegen den Werth der Rasse, gegen die Autorität
des Herkommens).] Vgl. GD Das Problem des Sokrates. Die Gegenthese wird
von Schmidt 1882 vertreten, vgl. NK 157, 22-25.
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158, 6-10 Wer den Griechen nachgeht, wie jener tiefste Kenner ihrer Cultur, der
heute lebt, wie Jakob Burckhardt in Basel, der wusste sofort, dass damit Etwas
gethan sei: Burckhardt fügte seiner „Cultur der Griechen" einen eignen Abschnitt
über das genannte Phänomen ein.] N. besaß eine Nachschrift der von Jacob
Burckhardt gehaltenen Vorlesung Griechische Culturgeschichte, angefertigt und
N. gewidmet von Louis Kelterborn (NPB 163), sowie eine in NPB nicht erhaltene
Nachschrift von Adolf Baumgartner (Burckhardt 1930b, 8, XXVIII). N. war 1872
selbst gelegentlicher, aber nicht regelmäßiger Hörer einer frühen Version dieser
mehrfach gehaltenen und überarbeiteten Vorlesung; er hat mit Burckhardt
intensiv über die fraglichen Probleme diskutiert (ebd., XX-XXV). Burckhardt ist
selbst von GT nicht unbeeindruckt geblieben; freilich im Gegensatz zu 158, 8-
10: „ein besonderes Kapitel über das Dionysische findet sich ebensowenig in
Burckhardts Kollegmanuskript wie in dem ausgearbeiteten Buche" (ebd., XXV).
Dennoch weist Felix Stähelin in der Einleitung zu Burckhardts Griechischer
Culturgeschichte im einzelnen nach, wie Überlegungen zu Dionysos aus GT in
Burckhardts Text übergegangen sind (ebd., XXV-XXVII). Der Hinweis auf das
vorgebliche Buch Burckhardts in GD hat diesem einiges Kopfzerbrechen berei-
tet. So heißt es in einem Brief Burckhardts an seinen Verleger Ernst Arthur
Seemann, 29. 11. 1889: „Die irrige Ansicht, daß ich eine Griechische Kulturge-
schichte zu veröffentlichen hätte, stammt aus einer Schrift des unglücklichen
Hrn. Prof. Dr. Nietzsche, welcher gegenwärtig in einer Irrenanstalt lebt. Er
nahm ein von mir öfter gelesenes Colleg jenes Inhalts für ein Buch." (Burck-
hardt 1980, 9, 224, vgl. Burckhardt an Seemann, 07. 12. 1894, Burckhardt 1986,
10, 194).
158, 12 Der berühmte Lobeck] Christian August Lobeck (1781-1860) galt als
führender deutscher Altphilologe.