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0. Lehmann :
Ein Unterschied von anderen Kristallisationsvorgängen ist
nicht aufzutinden; die Kriställchen erscheinen und wachsen beim
Erhaben und lösen sich wieder auf beim Erwärmen. Bei kon-
stanter Temperatur kann man sie längere Zeit freischwebend
erhalten und in der rotierenden Kapillarröhre von allen Seiten
betrachten. Will man mit den Herren G. FRiEDEL und F. GRAND-
JEAN die Gebilde nicht als Kristalle anerkennen, so sollte man
wenigstens sagen, was sie sind. Es gibt nichts anderes, was
damit Ähnlichkeit hätte.
Der oft gemachte Vorschlag, statt von ,,flüssigen Kristallen"
von ,,anisotropen Flüssigkeiten" zu sprechen, ist nicht annehmbar,
denn diese Bezeichnung sagt nichts über die (nicht einfach durch die
Oberflächenspannung, sondern durch die innere Gestaltungskraft
bedingte) Form aus. Das Wort „Kristall" wird nicht dadurch
entbehrlich, daß man von „anisotropen Materien" sprechen kann.
Auch neben der Bezeichnung „flüssige Kristalle" ist aber die
Bezeichnung „anisotrope Flüssigkeit" durchaus nötig (vgl. IV).
IV. Anisotrop-flüssige Schichten von Ammoninmoleat.
Wer sich daran stößt, daß vielleicht (infolge der Wirkung
der Oberflächenspannung) auch bei den kleinsten Kriställchen
die Struktur keine absolut vollkommene Raumgitterstruktur ist,
möge bedenken, daß man (wenigstens künstlich) ausgedehnte
anisotrop-flüssige Schichten von ganz normaler Struktur, also
auch vollkommener Auslöschung erhalten kann, indem man
eine flüssig-kristallinische Substanz (z. B. Ammoniumoleat.) in
einen feinen, frisch hergestellten Spalt eines Glimmerblatts bringt.
Die Moleküle der begrenzenden Glimmerflächen wirken nämlich
überall in gleicher Weise orientierend auf die Moleküle der
flüssig-kristallinischen Masse, wie die Beobachtung zwischen ge-
kreuzten Nicols ohne weiteres erkennen läßt. Da der Spalt keil-
förmig ist, zeigt die anisotrope Flüssigkeitsschicht Interferenz-
streifen parallel der Keilkante, deren Farben Additions- oder
Subtraktionsfarben zur Farbe der Glimmerplatte sind. Ammonium-
oleat ist für diesen Versuch freilich nicht sehr geeignet, da es
schwer rein von Mutterlauge zu erhalten ist und diese auf dem
liehe, aber auch in alkoholischer Lösung deutlich hervortretende Kriställchen
gibt Lecithin aus etwa 75prozentigem Alkohol durch Erkalten sich aus-
scheidend. (Vgl. 0. LEHMANN, LeW & D. Ges. 70, 321, 1908.)
0. Lehmann :
Ein Unterschied von anderen Kristallisationsvorgängen ist
nicht aufzutinden; die Kriställchen erscheinen und wachsen beim
Erhaben und lösen sich wieder auf beim Erwärmen. Bei kon-
stanter Temperatur kann man sie längere Zeit freischwebend
erhalten und in der rotierenden Kapillarröhre von allen Seiten
betrachten. Will man mit den Herren G. FRiEDEL und F. GRAND-
JEAN die Gebilde nicht als Kristalle anerkennen, so sollte man
wenigstens sagen, was sie sind. Es gibt nichts anderes, was
damit Ähnlichkeit hätte.
Der oft gemachte Vorschlag, statt von ,,flüssigen Kristallen"
von ,,anisotropen Flüssigkeiten" zu sprechen, ist nicht annehmbar,
denn diese Bezeichnung sagt nichts über die (nicht einfach durch die
Oberflächenspannung, sondern durch die innere Gestaltungskraft
bedingte) Form aus. Das Wort „Kristall" wird nicht dadurch
entbehrlich, daß man von „anisotropen Materien" sprechen kann.
Auch neben der Bezeichnung „flüssige Kristalle" ist aber die
Bezeichnung „anisotrope Flüssigkeit" durchaus nötig (vgl. IV).
IV. Anisotrop-flüssige Schichten von Ammoninmoleat.
Wer sich daran stößt, daß vielleicht (infolge der Wirkung
der Oberflächenspannung) auch bei den kleinsten Kriställchen
die Struktur keine absolut vollkommene Raumgitterstruktur ist,
möge bedenken, daß man (wenigstens künstlich) ausgedehnte
anisotrop-flüssige Schichten von ganz normaler Struktur, also
auch vollkommener Auslöschung erhalten kann, indem man
eine flüssig-kristallinische Substanz (z. B. Ammoniumoleat.) in
einen feinen, frisch hergestellten Spalt eines Glimmerblatts bringt.
Die Moleküle der begrenzenden Glimmerflächen wirken nämlich
überall in gleicher Weise orientierend auf die Moleküle der
flüssig-kristallinischen Masse, wie die Beobachtung zwischen ge-
kreuzten Nicols ohne weiteres erkennen läßt. Da der Spalt keil-
förmig ist, zeigt die anisotrope Flüssigkeitsschicht Interferenz-
streifen parallel der Keilkante, deren Farben Additions- oder
Subtraktionsfarben zur Farbe der Glimmerplatte sind. Ammonium-
oleat ist für diesen Versuch freilich nicht sehr geeignet, da es
schwer rein von Mutterlauge zu erhalten ist und diese auf dem
liehe, aber auch in alkoholischer Lösung deutlich hervortretende Kriställchen
gibt Lecithin aus etwa 75prozentigem Alkohol durch Erkalten sich aus-
scheidend. (Vgl. 0. LEHMANN, LeW & D. Ges. 70, 321, 1908.)