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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1924, 3. Abhandlung): Die Intensitäten alluvialer und diluvialer geologischer Vorgänge und ihre Einwirkung auf die pliocäne Rumpffläche des Kraichgaues und Odenwaldes — Berlin, Leipzig, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.43846#0004
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Wilhelm Salomon:

allgemeinen die Bäche und Flüsse des Gebietes nur feine
Trübe transportieren und nur wenig erodieren. Allerdings
gibt es örtliche und zeitliche Ausnahmen von dieser Regel. 1. An
Stellen starken Gefälles, z. B. in der Stromschnelle des „Hackteufels“
oberhalb der alten Brücke vou Heidelberg, und ebenso in der Strom-
schnelle unterhalb der neuen Brücke, ferner in übersteil geneigten
Nebentälern wie der Wolfsschlucht bei Zwingenberg am Neckar findet
dauernd Erosion statt. 2. Die Winterhochwässer der Flüsse und Bäche
transportieren und erodieren energisch. Ein einziges Hochwasser wie
das von Weihnachten 1919 leistet in wenigen Tagen mehr geologische
Arbeit als mehrere vorhergehende Jahre ohne ausgesprochene Hoch-
wasser. Diese entstehen in unserem jetzigen Klima fast stets nur bei
plötzlicher Schneeschmelze. Im Diluvium sind sie viel häufiger als
jetzt von Eisstauungen begleitet gewesen, durch die dann sogar große
Gesteinsblöcke weggeschoben werden können. 3. Eine dritte Ausnahme
bilden sehr starke Regengüsse im Sommer. Kleinere Bäche weisen
dabei manchmal in wenigen Stunden verblüffende Wirkungen auf, die
ebenfalls die Wirkungen langer Reihen von vorhergehenden Jahren
übertreffen können. Das war z. B. der Fall bei dem ungewöhnlich
starken Gewitterregen der Nacht vom 5.—6. Juni 1921, der bei Ober-
dielbach, Schatthausen und zwischen Wiesloch und Mauer am heftigsten
niederging. Er hatte auf der mäßig ansteigenden Straße von Wiesloch
nach Baiertal die Straßenschotterhaufen weggeschwemmt, obwohl sie
aus eckigen Steinen von etwa 5—6 cm Durchmesser bestanden. An
mehreren Stellen des Gebietes hatte er Risse von einigen Fuß Tiefe
in die Gehänge gerissen, an einer anderen Stelle eine kleine Muhre
erzeugt.
Zum zweiten Punkte erwähne ich noch, daß das Weihnachtshoch-
wasser des Neckars von 1919 das große Quaderpflaster des Leinpfades
zwischen den beiden Heidelberger Brücken auf große Strecken tief
aufwühlte und die Steine forttrug, an den Pfeilern der neuen Brücke
aber metertiefe Kolke erzeugte.
Wer derartige Ereignisse miterlebt hat, dem ist es vollständig
begreiflich, daß die alte Geologie nach der Einführung des Grund-
satzes des Aktualismus durch Hutton, K. E. A. v. Hoff und Lyell,
in einer Zeit, in der man von der absoluten Dauer der Erd-
perioden keine Ahnung hatte, alle großen geologischen Ereignisse
der Vergangenheit durch Summierung kleiner Vorgänge der Gegen-
wart erklärte. Man nahm daher damals im Gegensatz zur Kata-
strophentheorie einen gleichmäßigen Gang der Erdgeschichte an.
Daß das nicht zutrifft, wird jetzt allerdings mehr und mehr an-
 
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