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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0057
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Logische Studien über Entwicklung.

57

.oberstes Naturgesetz, das neben den Leges motus Newtons
oder ihren modernen Äquivalenten stellt.
Logisch ist besonders bedeutsam, daß dieses „zweite“ Gesetz
in größter Klarheit einem der vier möglichen Typen des Natur-
werdens entspricht, worüber in meiner,,Ordnungslehre“ (Seite 173 ff.)
nachge.lesen werden mag. —
Die dogmatischen Mechanisten, zu denen viele Neukantianer
gehören, sagen uns, es „müsse“ alles empirische Naturgeschehen
aus der gegebenen Konstellation der Materie (einschließlich aller
gegebenen Geschwindigkeiten) und aus den Prinzipien Newtons
oder ihren Äquivalenten restlos verstanden werden können. Diese
Lehre ist aber eben deswegen dogmatisch, weil aus dem Begriff
Natur, wie die Logik ihn in der Gesamtheit des Gegenständlichen
schaut und aus dieser Gesamtheit heraus setzt1, durchaus nicht
folgt, daß mechanische Kausalität die einzige mögliche Kausali-
tätsform sei. Allerdings ergibt sich aus dem Wesen der für die
Konstruktion von Natur verwertbaren Letztdaten — (welche sämt-
lich die Form Jetzt-Hier-So haben2) —, daß nur vier Formen des
Naturwerdens erfahrbar sein können; aber mechanische Kausalität
ist nur eine dieser vier Formen.
Der Philosoph, welcher mechanischer Dogmatiker ist, zieht
aus dem Begriffe Natur Folgerungen, welche nicht in ihm liegen.
Er übersieht, daß der Begriff Natur nur auf Werdekohärenz
gegründet ist, daß aber Kausalität mehr und anderes ist als Werden.
Er unterläßt es, sich dem Begriff Kausalität schlicht schauend
hinzugeben, und kann daher nicht zur Einsicht in die vier mög-
lichen Kausalitätsformen gelangen.
Der Naturtheoretiker, welcher mechanischer Dogmatiker
ist, unterläßt es, sich den biologischen Experimentalsachverhalten
schlicht schauend hinzugeben. Er unterläßt es, aus der Sache
selbst heraus seine Begriffe zu bilden, sondern kommt mit fertigen
Begriffen, die anderswoher stammen, an eine neue Sache heran.
Aber die echte Mechanik selbst ist ja gerade dadurch groß gewor-
den, daß sie aus ihrer Sache selbst heraus ihre Ordnungs-
begriffe schauend gewann.
Warum soll Biologie nicht in diesem Sinne von echter
Mechanik lernen ?
1 Ordnungslehre S. 132ff., Wirklichkeitslehre S. 5ff.
2 a. a. O. und Teil I dieser Studien S. 6.
 
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