Metadaten

Aly, Wolfgang [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 1. Abhandlung): Der Strabon-Palimpsest Vat. Gr. 2061A — Heidelberg, 1928

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39905#0023
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Strabon-Palimpsest Vat. Gr. 2061 A.

habe ich unter den zahlreichen Palimpsesten der Bibliothek von
S. Salvatore in Messina nicht nur keine Reste des Strabon, sondern
auch kein anderes Manuskript von so feinem Pergament gefunden
wie V1.
Das weist also alles nach Kalabrien. Aber S. Maria ist erst
um 1100, also zu einer Zeit gegründet, wo die zweite Hand von
V1 längst geschrieben war. Andererseits beweist die wesentlich
spätere Pland von V2, daß nicht etwa V1 von fern her importiert
sein kann, sondern daß der Strabon dort irgendwo in Kalabrien
aufgelöst wurde und sein Pergament zu mehreren anderen Hand-
schriften verwendet wurde. Da liegt es nahe, an das Bistum Ros-
sano zu denken, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft im Laufe
des 6. Jahrh. die ersten Eremitenzellen entstanden waren. Und es
ist wohl kein Zufall, daß eben dieses Rossano heute noch im Be-
sitze einer der kostbarsten Handschriften des 6. Jahrh. ist, des be-
rühmten codex purpureus R.ossanensis des Neuen Testamentes.
Wenn auch unsere Strabonhandschrift dort gelagert hat, erklärt sich
jedenfalls am besten, daß sie dort in der Gegend aufgelöst und ver-
wertet ist.
Wir dürfen aber vielleicht noch etwas weiter gehen. Darüber
sind sich alle einig, daß der codex purpureus1) nicht in Kalabrien
geschrieben ist. Seine Miniaturen sind mit großer Wahrscheinlich-
keit auf den kleinasiatischen Kreis zurückgeführt. Aber man hat
nicht beachtet, daß der Duktus der Beischriften der Miniaturen ein
anderer ist als der des Textes. Da nun vollends die Miniaturen so
gemalt sind, daß sie und alle Schriften des zugehörigen Duktus auf
besonderen eingelegten Blättern stehen, so muß mit der Möglichkeit
gerechnet werden, daß derjenige, der den kostbaren Kodex bestellte,
Text und Bilder an verschiedenen Orten hersteilen ließ, daß also
der Urheber der nach Rossano gelieferten Handschrift nicht not-
wendig in Kleinasien zu suchen ist. Ein eigentlicher Beweis wird
sich für das Folgende schwer führen lassen, doch will uns scheinen,
daß, wenn in Sinope ein ganz gleichartiger Kodex gefunden wurde,
es nur eine zentrale Stelle gibt, die in gleicher Weise für Sinope
wie für Pvossano gesorgt haben kann, der Hof Justinians. Ich will
nicht behaupten, daß Purpurhandschriften ein Privileg des Kaisers
gewesen seien, aber ich glaube nicht, daß sich der Bischof von

b Literatur bei A. Mufioz, 11 codice purpureo di Rossano e il f'rammento
Sinopense, Rom 1907, S. 27.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften