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W. Aly:
Wenn er aber in einem besonderen Falle mit diesen einen Fehler
gemeinsam hat — er zitiert unter Αΐγιναι p. 42, 7 aus Strabon die
Form Αίγινεΐς, die unsere Handschriften IX 1, 21, p. 39832 statt
AlflAIGIC bieten —, so sieht das fast so aus, als sei die Hand-
schrift des Stephanos eben jene Unzialvorlage, von der uu abge-
schrieben wurde. Leider hat uns der Palimpsest in einer geschlossenen
Reihe von erhaltenen Blättern gerade dieses Blatt einstweilen noch
vorenthalten, so daß die Möglichkeit besteht, daß der Fehler schon
älter ist. Wir kommen also mit den Stephanoszitaten bis ins 6. Jahrh.
zurück, allerdings nur für einzelne Namen und Sätze. Hier ist der
Punkt, wo die Bedeutung des Palimpsests sichtbar wird.
7. Der Text des Palimpsests.
Es ist klar, daß wir mit einer in Kleinigkeiten völlig selb-
ständigen Handschrift des 6. Jahrh. endlich entscheidend über den
Archetyp hinauskommen. Zwar auch sie scheint nach K’pel zurück-
zuweisen, aber der Zeit nach ist sie ein Bruder der Stephanoshand-
schrift, deren gemeinsame Vorlage ins 5. oder 4. Jahrh. zurückweist.
Das liefert für die erhaltenen Teile, d. h. für etwa ein Siebentel des
Ganzen einen spätantiken Text, der bei einem so wenig gelesenen
Autor zuverlässig sein dürfte. Für die nicht erhaltenen Teile aber
gibt er uns wenigstens einen Maßstab, wieweit die Tradition für
zuverlässig gelten kann und in welcher Richtung, falls sie gestört
ist, das Richtige zu suchen ist. Es wird sich sehr bald zeigen, daß
dadurch unser Verhältnis zu dieser Überlieferung prinzipiell um-
gestaltet ist.
Als besondere Kennzeichen der von V vertretenen Überlieferung
möchte ich hervorheben:
1. Eigentümliche Orthographie. Jedem, der Schriftstücke der
frühen Kaiserzeit in der Hand gehabt hat, sind die Verwechslungen
ou>e und ei)i vertraut, nicht jenes wilde Chaos vulgärer Texte, sondern
eine Art falscher Regel. Einiges ist ja in den byzantinischen Texten
fest geworden und hat erst durch die Orthographie der Inschriften
berichtigt werden können. Das Jota ist in der Mehrzahl der Fälle
richtig gesetzt. Da Strabon gelegentlich selbst darauf aufmerksam
macht, daß es Sitte seiner Zeit sei, es fortzulassen (XIV 1,41, p. 64837),
so wird man in der Orthographie von V Strabons eigenen Usus
erkennen dürfen. Es ist bezeichnend, daß die gleich alten Bibel-
handschrif'ten es fortlassen, weil ihre Vorlagen es nicht hatten. Wir
W. Aly:
Wenn er aber in einem besonderen Falle mit diesen einen Fehler
gemeinsam hat — er zitiert unter Αΐγιναι p. 42, 7 aus Strabon die
Form Αίγινεΐς, die unsere Handschriften IX 1, 21, p. 39832 statt
AlflAIGIC bieten —, so sieht das fast so aus, als sei die Hand-
schrift des Stephanos eben jene Unzialvorlage, von der uu abge-
schrieben wurde. Leider hat uns der Palimpsest in einer geschlossenen
Reihe von erhaltenen Blättern gerade dieses Blatt einstweilen noch
vorenthalten, so daß die Möglichkeit besteht, daß der Fehler schon
älter ist. Wir kommen also mit den Stephanoszitaten bis ins 6. Jahrh.
zurück, allerdings nur für einzelne Namen und Sätze. Hier ist der
Punkt, wo die Bedeutung des Palimpsests sichtbar wird.
7. Der Text des Palimpsests.
Es ist klar, daß wir mit einer in Kleinigkeiten völlig selb-
ständigen Handschrift des 6. Jahrh. endlich entscheidend über den
Archetyp hinauskommen. Zwar auch sie scheint nach K’pel zurück-
zuweisen, aber der Zeit nach ist sie ein Bruder der Stephanoshand-
schrift, deren gemeinsame Vorlage ins 5. oder 4. Jahrh. zurückweist.
Das liefert für die erhaltenen Teile, d. h. für etwa ein Siebentel des
Ganzen einen spätantiken Text, der bei einem so wenig gelesenen
Autor zuverlässig sein dürfte. Für die nicht erhaltenen Teile aber
gibt er uns wenigstens einen Maßstab, wieweit die Tradition für
zuverlässig gelten kann und in welcher Richtung, falls sie gestört
ist, das Richtige zu suchen ist. Es wird sich sehr bald zeigen, daß
dadurch unser Verhältnis zu dieser Überlieferung prinzipiell um-
gestaltet ist.
Als besondere Kennzeichen der von V vertretenen Überlieferung
möchte ich hervorheben:
1. Eigentümliche Orthographie. Jedem, der Schriftstücke der
frühen Kaiserzeit in der Hand gehabt hat, sind die Verwechslungen
ou>e und ei)i vertraut, nicht jenes wilde Chaos vulgärer Texte, sondern
eine Art falscher Regel. Einiges ist ja in den byzantinischen Texten
fest geworden und hat erst durch die Orthographie der Inschriften
berichtigt werden können. Das Jota ist in der Mehrzahl der Fälle
richtig gesetzt. Da Strabon gelegentlich selbst darauf aufmerksam
macht, daß es Sitte seiner Zeit sei, es fortzulassen (XIV 1,41, p. 64837),
so wird man in der Orthographie von V Strabons eigenen Usus
erkennen dürfen. Es ist bezeichnend, daß die gleich alten Bibel-
handschrif'ten es fortlassen, weil ihre Vorlagen es nicht hatten. Wir