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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0010
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Ernst Hoffmann:

Seins, nur Schatten und Echo wahrhafter Wirklichkeit und inso-
fern, als bloße Spiegelung echter Seinsheit, etwas in sich selber
Unwahres und Unechtes. Die Erscheinung kann die Erkenntnis
nur aufrufen1, über das Abbild hinaus zur Wahrheit vorzudringen;
das Werdende soll uns nur Anlaß sein, es symbolisch auf höhere
Seinsheit zu deuten. Für sich genommen und ohne Bezug auf die
vorbildlichen Formen des Seins angesehen, gilt die Erscheinung
wenig mehr als ein Trug.
Diese drei Grunderkenntnisse muß der Jünger der Philosophie
erlangen; und ihrem Erwerbe dient jene Systematik der Wissen-
schaften, welche Platon auf Grund der von ihm selbst betriebenen
und philosophisch erfahrenen Studien von den ästhetischen und
empirischen Disziplinen über die dianoetischen2 bis zur dialektischen
durchführt und in einer überwissenschaftlichen metaphysischen
Sicht gipfeln läßt. Insbesondere aber soll der philosophische
Regent3 jene drei Grunderkenntnisse haben. Er soll zu unterst
die bloß materiale und phänomenale Gegebenheit der empirischen
Welt kennen; hielte er sie schon für die wahre Wirklichkeit an sich,
so würde ihm seine eigene besondere Bestimmung dunkel bleiben:
im zu erringenden Hinblick auf Höheres aus dem empirischen Stoffe
erst eine echte Wirklichkeit gesollter Form herzustellen. Er muß zu
zweit das unbedingte, ewige Sein der Ideen kennen; hielte er sie
bloß für menschliche4 Abstraktionen oder Illusionen, so würde
seinem Denken der Halt, die Unverrückbarkeit der Stützpunkte
und der Richtungsziele fehlen, seinem Schaffen die unbedingte
Verbindlichkeit der Musterbilder. Und er muß zu höchst den einzig-
artigen und zugleich umfassenden Charakter des göttlich-Einen
und Guten kennen, dem gegenüber es kein anderes, ihm entgegen-
wirkendes Böses als konkurrierendes Prinzip geben kann5. Fehlte
1 7rocpaxaXeiv, im Sinne von Resp. VII, 523b.
2 Das maßgebende Wissenschaftserlebnis für Platons theoretische
Philosophie war der dianoetische Charakter der Mathematik (Resp. VI, 510cff;
VII, 525 dff), wie für seine praktische Philosophie der Charakter der Heil-
kunde (vgl. Zeller, Phil. d. Gr.5 S. 1070ff). Daß er ein Freund des.Archytas
war, wurde für ihn ebenso bestimmend wie seine Herkunft aus dem atheni-
schen Adel, sein Verkehr mit Sokrates und die künstlerische Seite seiner
Natur.
3 Vgl. Resp. 521c, wo als der, der die grundsätzliche Umwendung voll-
ziehen muß, der philosophische Wächter genannt wird.
4 Parrn. 132 b.
5 Ein radikal Böses wird (nicht etwa durch die egtpura xaxa, die vielmehr
durch die Natur alles Zeitlichen motiviert sind, sondern) höchstens durch den
 
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