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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0065
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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Art der Darstellung die Paradoxie seines Vorhabens gleichsam ge-
spiegelt zu sehen. Er läßt etwa orphische Motive anklingen, um
im Hörer eine Bewußtseinslage vorzubereiten, die zur Aufnahme
von Platons eigenen, methodisch viel tiefer motivierten Dualismen
empfänglich sein soll. In der Mythopoiie bringt es der Darstellungs-
charakter seiner Kunst mit sich, daß er ohne jene Tmemata arbei-
tet, die er selber dialektisch fordert- die unräumliche Ideenwelt
ist am überhimmlischen ‘Orte’; für das, was die Gottheit schafft,
bevor noch die Zeit entstanden ist, hat der Mythos eine zeitliche
‘Reihenfolge’. Platon will lehren, daß das wahre Sein vor alle?
Existenz liege, aber er scheut kein ÜGxspov n-porspov, um den Ge-
danken im Mythos anschaulich zu machen. Sein positives Verhält-
nis zur Volksreligion läßt ihn affirmative Sätze sprechen, wo sein
metaphysisches Prinzip nur negative erlauben würde. Mit seinem
eigenen methodischen Prinzip, allein das axpißwp oxo7uemEou der
reinen Noesis für den Aufbau des Erkenntnissystems maßgebend
sein zu lassen, wetteifert als entgegenwirkender Antrieb seiner
philosophischen Natur die deutliche Bewußtheit, daß zwar nur
Dialektik philosophisch erziehen kann, daß aber Philosophie nicht
nur aus Dialektik bestehen darf, sondern zum Ganzen von Welt
und Leben vorzudringen berufen ist, wofür es gar keine adäquate
Form sprachlicher, geschweige denn schriftlicher Darstellung
geben kann* 1, sondern nur das Erleben des philosophischen Fort-
und Emporschreitens selber. Ohne Zweifel waren auch alle jene
irrationellen Lebensmächte und Weltahnungen, die später das orga-
nische Gefüge des philosophischen Synkretismus begründeten,
ebenfalls Platon bewußt und persönlich ihm zu eigen, ja er schöpfte
und wertete sie voll aus für seine Kunst sowohl der Psychagogie

seiner Probleme war, daß es der philologischen Forschung des letzten Jahr-
hunderts ausreichende Kriterien inhaltlicher Art bot, um für die große Zahl
der Platonischen Schriften (entgegen der Reihenfolge der überlieferten Tetra-
logien) eine relative Chronologie aufzustellen, welche durch die Methoden der
Sprachstatistik bestätigt und nur noch nüanziert wurde. Das literarische
Werk ist eine Ganzheit, in der Platon nie eine wesentliche Position zurück-
genommen und kaum jemals etwas Wesentliches zweimal gesagt hat: er
setzte also im Späteren das Frühere voraus. Ehemals ignorierte man Pla-
tons spätere Schriften; heute isoliert man sie.
1 Wie den drei Bereichen der Phänomene, der Ideen und der Gottheit
die sprachlichen Ausdrucksformen von euoq, Xoyoc, und pöd-oc, korrespondie-
ren, um den Gegenständen Entsprechendes auszusagen, vgl. Die Sprache u.
die arch. Logik S. 58ff.
 
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