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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0067
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Platonisnrus und Mystik im Altertum.

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Chorismos und Methexis in ihren fundamentalen Funktionen
für die Analyse des Seins sicher gestellt sind* 1.
Kehren wir daher noch einmal zu Platon selber zurück, so
haben wir den ersten grundsätzlichen Unterschied des genuinen
zum konvertierten Platonismus darin zu erblicken, daß allein
Platon seine drei Bereiche weder von Gott noch von den seelischen
und körperlichen Erscheinungen aus, sondern methodisch streng
und eindeutig konstituiert von den ‘Ideen’ aus. Erst wenn
das philosophische Denken im reinen Sein den adäquaten und festen
Standort gefunden hat, kann es sich selber in Bewegung setzen
und dann auch zu dem kommen, was ‘über’ und was ‘unter’ dem
Sein ist. Aber primär ist es nur das reine Sein, to ov xal to Övtco<;
xal to ael xava tocutov 7ce<puxo? (Phil. 58a), was vom reinen Den-
ken gefordert wird und in der Vielgestaltigkeit seiner Formen
einzig ihm standhält. Nun heißt aber reines Denken: nach dem
Satze vom Widerspruch denken; also setzt sich das reine Denken
selber sofort in Gegensatz zu allem, was ebenfalls gern wahr, d. h.
Denken eines an sich Seienden sein möchte, es aber ‘nicht ist’, also
zur aisthetischen und empirischen Vorstellung. Und diese kontra-
diktorische Schnittlegung zwischen Denken und Nichtdenken ist
es, die uns Kenntnis gibt von der Kluft zwischen Sein und Nicht-
sein. In diesem Wissen um das Tmema liegt der Ursprung des
reinen Denkens; und er hängt damit zusammen, daß das Denken
nach ‘Einheiten’ verlangt, die es in der sinnlichen Welt nicht vor-
findet. Daher ‘setzt’ das Denken sie; und es ist dazu imstande,
weil die denkende Seele selber ihre besondere Art der Affinität
(opoioTYjU zur reinen Einheit hat. Sinn und systembildende Be-
deutung dieses Tmemas hat, seitdem Platons eigene Schüler es be-
kämpft und preisgegeben hatten, in keiner Form des antiken Pla-
tonismus sich erhalten. Speusipp versuchte den grundlegenden
Dualismus von Wissen und Sinnesempfindung gerade durch den
Erweis einer beide umfassenden und versöhnenden smGTYjp/mxp
rae; dämonische Mächte als auvocma; Wahrheit des Denkens als faktisches
Einströmen des Göttlichen in die Seele.
1 Wie es Phileb. 56a heißt, daß alle Wissensfächer von dem durch die
Menge bestürmten Türhüter eingelassen werden, nachdem erst das reine
dialektische Wissen sichergestellt ist, das allein allen anderen Wissenszweigen
einen Wahrheitsanteil zu spenden vermag, so kann man auch sagen, daß
Platons eigenes literarisches Werk künstlerisch so angelegt und durchgeführt
ist, daß alle philosophischen Bedürfnisse der Seele zu ihrem Rechte kommen,
wofern erst das grundsätzliche Tmema auf das Vernunftwesen selber angewandt
 
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