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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0153
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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macht, die den Stoff des großen Ganzen durchseelt, ist auch gebor-
gen, was an uns klein und Staub ist.
3. So ist auch die Rückkehr verbürgt, denn ein Etwas von
Licht ist selbst den erblindeten Augen verblieben, weil Gottes eige-
ner Blick auf ihnen ruht (-8-so? e? üvy-a SeSopxw? zvi pav, svt, ti
<psyyo? xsxocXuppivat.Gi yXyvcu?). Von dem ‘Wogenschwalk des
Erdenlebens, von der ‘bellenden Gefräßigkeit’ der Stoffwelt, von der
drückenden Schwere des Irdischen ‘führt Liebe hinauf’ (avocycoylcov
spcoTtov) zum heiligen Vaterhaus, zur lichten Höhe, wenn die Einzel-
seele mit aller Kraft der Anstrengung sich auf dem Pfade des Geistes
hinaufschwingt (voou xsksu-hcov). Das neuplatonische Urlicht wirkt
als Heiland: es weist den Weg zu des Vaters Wohnung.
Der Schluß des Hymnus bringt die Mahnung, fest zu werden in
der Sehnsucht des Geistes: dann wird der Vater die Hände reichen,
ein Strahl wird die Pfade erleuchten und er wird das intelligible Ge-
filde, der Schönheit Ursprung, erscheinen lassen (votjtov neSiov,
xaXXeo? apyav). ‘Wohlan, Seele, trinke aus dem Quell, der Gutes
ergießt; den Vater bittend steige empor und laß das Irdische der
Erde ohne Zaudern. Bald wirst du, geeint mit dem Vater, Gott in
Gott, dich des Reigens freuen.’ Dies bedeutet: du wirst eine der
Ideen sein, die in mystischer Einheit mit dem Einen die Umwelt des
Urschönen bilden. Taya S’av piyema naTpi 0so? sv Gew yopeuooi?.
Der erste Hymnus des Synesios gibt uns Kenntnis von seiner
Mystik, sofern ihre gewaltige Spannkraft alle Motive des Spätplato-
nismus, von der monistischen Konversion der Methexis an bis zur
Dreifaltigkeit und dem Erlösermotiv, in die Einheit einer philosophi-
schen Systembildung hineinbannt, die Wort um Wort für das
christliche Bewußtsein erleuchtend ist. Idee und Geist, Weg und
Liebe, Stoff und Weltflucht haben einen Sinn angenommen, der
gleichsam noch die ganze Geschichte des Platonismus in sich birgt
und dennoch zugleich für die neue Wahrheit des christlichen Glau-
bens gültiges Zeugnis ablegt. Den Mysterien der christlichen Gläu-
bigkeit steht nicht, wie bei Proklos, die Einheit des hellenischen
Geisteslebens abweisend gegenüber; sondern das Geistesleben sel-
ber ist es, das für die Wahrheit jener Mysterien bürgt. Wie groß der
Anteil ist, den die Hymnologie des Neuplatonismus an der Wesens-
gestalt und Ausdrucksform aller späteren christlichen Mystik ge-
habt hat, möge durch die Art deutlich werden, in der Synesios im
dritten Hymnus das ‘Namenlose’ des Unendlich-Einen in Worte
faßt:
 
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