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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0017
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Ovids poetische Menschenwelt

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§ 2 Kosmogonie und Weltalter keine Metamorphosen
Die traditionelle Metamorphosenlesung stellt der neueren universalge-
schichtlichen Deutung des ovidischen Epos (Pfeiffer, Zinn, Ludwig3)
eine problematische Voraussetzung bereit: die Auffassung der Kosmo-
gonie am Anfang des Werkes als Verwandlung und der vier Menschenge-
schlechter als „Verwandlungsphasen“4. Aber der Metallaltermythos ist
bei Ovid kein welthistorisches Konzept5, und das Nacheinander der Ge-
schlechter ist kein genetisches Auseinander. Nicht Verwandlung liegt je
beim Übergang von einem zum nächsten Geschlecht vor, sondern Ablö-
sung: „subiit“; „successit“; „ultima“ (met. 1,114. 125.127). Sprache und
Vorstellungen ovidischer Metamorphosen fehlen vollständig, und wäh-
rend es bei den Verwandlungen des Werkes sinnvoll ist, das alte und das
neue Wesen und ihre Gestalten miteinander in Beziehung zu setzen, auf
ihre Ähnlichkeiten zu schauen6 und sie auseinander zu erklären, würde
eine solche genetische und semantische Relation zwischen dem Silbernen
und dem Goldenen Geschlecht die Intention der ovidischen Metallalter-
darstellung pervertieren. Die vier Menschengeschlechter entsprechen
vielmehr gerade insofern ovidischen Metamorphosen, als die Metalle
wie die Metamorphosengestalten metaphorische Aussagen bedeuten;
andererseits stehen sie den Schöpfungsberichten und den Metamorpho-
sen von Drachenzähnen und Ameisen nahe, indem die Metalle als be-
stimmte Substanzen (und Metaphern) gewissermaßen den Stoff bilden,
aus dem die jeweiligen Geschlechter bestehen bzw. der in sie hinein
verwandelt worden ist. Vgl. met. 1,89. 114f. 125ff.: „aurea [.. .] aetas“;
„argentea proles,/ auro deterior, fulvo pretiosior aere“; „aenea proles“;
„de duro est ultima ferro./ protinus inrupit venae peioris in aevum / omne
nefas [.. .]“. Die Metallalter sind also allenfalls insofern Metamorpho-
sen, als mit ihnen in vier einzelnen ,Metallverwandlungsgeschichten‘
metaphorische Aussagen überden Menschen gemacht werden, nicht als
gleichsam historischer Verwandlungsprozeß, der nur zu jeweils vor-
übergehenden Gestalten führte und mehrfache Verwandlung eines Sub-
jekts, ja, Verwandlung als geschichtliches Prinzip bedeutete.
Die Kosmogonie ist keine Metamorphose. Denn Metamorphose ist,
wie das Wort besagt und Ovids Programm bestätigt (met. 1,1-4), Ver-
3 Vgl. u. S. 38ff.
4 Vgl. comm. Haupt, Bd. 1, S. 13.
5 Vgl. u. S. 23.31 ff.
6 Vgl. u. S. 16f.
 
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